Vielfach ist zu lesen, dass Bitterstoffe aus unseren Lebensmitteln heraus gezüchtet wurden. Können wir unseren Bedarf vielleicht gar nicht mehr decken? Da wirkt der Griff zu einem Nahrungsergänzungsmittel umso verlockender. Doch sind Kapseln und Tropfen wirklich nötig?
Was steckt hinter der Werbung zu Bitterstoffen?
Unternehmen werben für ihre Produkte mit der Behauptung, dass Bitterstoffe aus unseren Lebensmitteln herausgezüchtet wurden. Ihre Nahrungsergänzungsmittel (NEM) seien deshalb nötig, um unseren Bedarf zu decken. Außerdem würden sie beim Abnehmen helfen und gegen den allzeit gehassten Blähbauch helfen. Einige Internetseiten und Foren sprechen von einem Bitterstoffmangel und seinen Folgen für den gesamten Körper. Praktischerweise gibt es meist direkt zwischen den Informationen passende Produktangebote, welche bei einem Bitterstoffmangel Abhilfe leisten sollen. Oft gibt es sogar Rabattcodes.
Bitterstoffe gehören größtenteils zu den sekundären Pflanzenstoffen, die zwar nicht essentiell (lebensnotwendig) für uns sind, allerdings trotzdem positive Wirkungen auf unseren Körper haben können. Bitterstoffe lassen, wie der Name schon verrät, Lebensmittel für uns bitter schmecken.
Die wissenschaftliche Studienlage gibt keine Hinweise darauf, dass unser Körper auf Bitterstoffe angewiesen ist oder diese für die Funktion bestimmter Organe relevant sind. Eine entsprechende tägliche Mengenempfehlung für Bitterstoffe gibt es daher nicht. Richtig ist aber, dass Lebensmittel mit natürlichen Bitterstoffen (keine isolierten Bitterstoffe wie in Nahrungsergänzungsmitteln) in die Ernährung eingebunden werden können, um ein Pendant zu einer einseitig süßen Ernährung zu bieten.
Die Wirkaussagen zu Bitterstoffen sind widersprüchlich. So sollen Bitterstoffe bei Diabetes und Prädiabetes hilfreich sein, um den Hunger zu verringern. Das steht allerdings im Widerspruch zu Ergebnissen, wonach sie den Appetit und das Hungergefühl steigern können. Denn klassisch – als (traditionelle) pflanzliche Arzneimittel - werden Bitterstoffe wegen ihrer appetitanregenden, sekretionsfördernden und darmmobilitätssteigernden Wirkung zur Behandlung von Appetitlosigkeit und bei Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt. Ein weiterer Widerspruch: Teilweise wird Bitterstoffen auch eine den Körper entsäuernde Wirkung zugesprochen, während sie gleichzeitig die Bildung von Gallenflüssigkeit und Magensäure fördern sollen. Effekte auf den Blutzuckerspiegel haben sich bisher als sehr schwach erwiesen. Entsprechende Werbeaussagen für NEM sollten also keinesfalls zum Absetzen der nötigen Diabetes-Medikamente führen.
Es gibt keine eindeutigen Daten aus Humanstudien, die einen Zusammenhang zwischen verringerter Flatulenz (Blähungen) und weniger Heißhunger und der regelmäßigen Einnahme von bestimmten Bitterstoffen zeigen. Entsprechende Werbeaussagen für NEM sind weder seriös noch erlaubt.
In NEM werden typischerweise Extrakte aus Artischocke, Löwenzahn(wurzel) oder Mariendistel genutzt. Die Arzneipflanzenextrakte, deren Zusammensetzung im Arzneibuch festgelegt ist, sind allerdings andere als die in NEM verwendeten, selbst wenn sie auf bestimmte Inhaltsstoffe (wie Cynarin oder Silymarin) standardisiert sind. Entscheidend ist, dass NEM keine pharmakologische Wirkung haben dürfen. Sonst würden sie eine Arzneizulassung benötigen.
Wenn Sie körperliche Beschwerden wie einen immer wiederkehrenden "Blähbauch", Appetitlosigkeit oder starkes Heißhungergefühl haben, wenden Sie sich bitte zunächst an Ihre Hausarztpraxis.