Seit Juli 2022 steigen die Zinsen wieder, Expertinen nennen diesen Zeitpunkt Zinswende. Was dahintersteckt und wieso es vielleicht schon in diesem Jahr eine erneute Zinswende geben könnte.
In den letzten Jahren ging es beim Thema Geld oft vor allem um wirtschaftliche Krisen und steigende Preise. Das belastete insbesondere die Haushaltskassen von Ratsuchenden, die über geringes Einkommen verfügen. Sparen war in diesen Jahren für viele schwierig.
Lange Zeit waren zudem die Zinsen niedrig. Das hatte Vor- und Nachteile. Wer beispielsweise einen Kredit zum Kauf einer Immobilie aufnehmen wollte, zahlte nur niedrige Zinssätze. Wer wiederum Geld ansparen wollte, erhielt kaum Zinsen für seine Rücklagen auf Tagesgeld-, Festgeld- oder anderen Sparkonten. Das hat sich jetzt geändert, denn die Zinsen sind in den vergangenen Monaten gestiegen. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Zinswende mittlerweile häufig verwendet. Was genau dahinter steckt, dürfte für viele Ratsuchende allerdings erklärungsbedürftig sein.
Vielleicht kommen Menschen zu Ihnen in die Beratungsstellen und wollen wissen, ob die veränderte Lage Auswirkungen auf ihren Alltag und ihre persönlichen Finanzen hat. Wir erklären, was es mit der Zinswende auf sich hat, damit Sie Ihren Klient:innen mit zuverlässigen Informationen zur Seite stehen können.
Was ist die Zinswende?
Die Zinswende bezieht sich auf die Entscheidungen der Notenbanken, die für die Geldpolitik zuständig sind. In den Medien werden die Notenbanken deshalb auch oft als „Währungshüter“ bezeichnet. In regelmäßigen Sitzungen legen sie fest, ob der Leitzins für den Euro steigen oder sinken soll. Im Euroraum ist dafür die Europäische Zentralbank, kurz EZB, zuständig. Über viele Jahre, von 2016 bis 2022, beließ die EZB den Leitzins bei 0 Prozent. Das änderte sich am 21. Juli 2022: Nach der Ratssitzung des EZB-Rats an diesem Tag verkündete die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, eine Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte. Da die Zinsen zuvor sechs Jahre lang bei 0,0 Prozent gelegen hatten, leitete die Entscheidung am 21. Juli 2022 die sogenannte Zinswende ein. In den folgenden Sitzungen beschloss der EZB-Rat nach und nach weitere Erhöhungen der Leitzinsen. Bei der Ratssitzung am 14. September 2023 hat die EZB den Leitzins auf 4,5 Prozent gehoben. Die Anhebung ist seit dem 20. September gültig.
Was ist die Europäische Zentralbank (EZB)?
Eine Zentralbank ist für die Stabilität einer Währung eines Landes zuständig. Das ist eine geldpolitische Aufgabe, bei der es im Kern darum geht, zu kontrollieren, wie viel Geld im Umlauf ist (Geldmenge), um die Preise stabil zu halten. Zentralbanken können darüber hinaus weitere politische Aufgaben haben. Allerdings sind Zentralbanken keine Geschäftsbanken. Privatpersonen oder Unternehmen können dort also keine Konten eröffnen oder Kredite beantragen.
Eines der wichtigsten Mittel, das einer Zentralbank zur Stabilisierung des Geldwertes einer Währung zur Verfügung steht, ist die Anpassung der Zinssätze. Zinsen gelten auch als „Preis des Geldes“ oder „Geldkosten“.
Für die Länder, deren Währung der Euro ist, legt die Europäische Zentralbank (EZB) in ihren Ratssitzungen den Leitzins fest. Der EZB-Rat besteht aus sechs leitenden Mitgliedern der EZB sowie den Präsident:innen der nationalen Zentralbanken der Euro-Länder. Der EZB-Rat trifft alle wichtigen geldpolitischen Entscheidungen der EZB, auch die Zinsentscheidungen. Der EZB-Rat tagt mehrere Male im Jahr. Dabei entscheidet er, den Leitzins unverändert zu lassen, zu senken oder zu erhöhen oder – je nachdem, ob die Preise stabil sind oder das Geld gerade zu teuer (Deflation) oder zu günstig ist (Inflation).
Dabei gibt es eine wichtige Besonderheit: Notenbanken sollen politisch unabhängig sein. Das gilt sowohl für die EZB als auch für die Notenbanken der einzelnen Euro-Länder. Deshalb sind die Regierungen nicht an den Zinsentscheidungen des EZB-Rats beteiligt.