Verbraucher wollen Streaming-Angebote zum Abruf von Videos oder Musik über Landesgrenzen hinaus nutzen können. Aber zwei Drittel der Internetnutzer sind von Ländersperren (Geoblocking) betroffen. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen Untersuchung des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Im Rahmen der Untersuchung wurde eine repräsentative Online-Befragung mit über 2.000 Internetnutzern durchgeführt. Verbraucher wurden darin unter anderem nach ihren Erfahrungen mit digitalen Ländersperren und Erwartungen an eine ortsunabhängige Nutzung von Streaming-Angeboten befragt.
„Dieses Video ist in deinem Land leider nicht verfügbar.“ Versuchen Nutzer auf Videos oder Musik im Internet zuzugreifen und fehlen entsprechende Lizenzrechte für die Nutzung im jeweiligen Land, erscheint diese Meldung und der Inhalt ist nicht abrufbar. Nach der gängigen Lizenzpraxis können Nutzer Filme, Serien oder Musikwerke nur dann abspielen, wenn die jeweiligen Lizenzrechte auch für Anbieter im Land des Abrufs verfügbar sind und von diesen erworben wurden.
Verbraucher aus Deutschland können so beispielsweise häufig nicht auf Inhalte aus anderen EU-Staaten zugreifen. Ist die Lieblingsserie bislang nur in Großbritannien verfügbar, kann der Nutzer von Deutschland aus nicht auf die Serie zugreifen. Damit aber nicht genug: So können Verbraucher derzeit vom EU-Ausland aus nur selten ihr heimisches Streaming-Angebot abrufen. Im Strandurlaub in Spanien kann es beispielsweise passieren, dass Verbraucher auf ihre kostenpflichtig abonnierten Streaming-Dienste nicht wie gewohnt zugreifen können und auf die neueste Folge ihrer Lieblingsserie verzichten müssen.
Zwei Drittel kennen das Phänomen Geoblocking
Von den befragten Internetnutzern geben 77 Prozent (Video-Streaming) beziehungsweise 80 Prozent (Musik-Streaming) an, gebühren- oder werbefinanzierte Streaming-Angebote wie Mediatheken von Fernsehsendern oder YouTube zu nutzen. 43 Prozent der Befragten geben an, bereits kostenpflichtige Video-Streaming-Dienste (z.B. Netflix, Maxdome) zu nutzen und 27 Prozent nutzen kostenpflichtige Musik-Streaming-Dienste (z.B. Spotify Premium, Apple Music).
Wie die Verbraucherbefragung zeigt, wissen 66 Prozent der befragten Internetnutzer nicht, was der Begriff Geoblocking bedeutet. Bei Erläuterung der Definition und einem Beispiel geben aber 67 Prozent der Befragten an, das Phänomen Geoblocking zu kennen. „Musik- und Video-Streaming-Angebote gehören inzwischen zum Alltag der Verbraucher. Geoblocking ist aktuell für viele Internetnutzer ein Hindernis, digitale Inhalte grenzüberschreitend abzurufen. Wie unsere Befragung zeigt, sind über zwei Drittel der Internetnutzer von Geoblocking betroffen“, so Dr. Sebastian Schmidt, Teamleiter Marktwächter Digitale Welt bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Mehrheit möchte auch vom Ausland aus streamen
Verbraucher haben ein Interesse daran, digitale Inhalte über die Grenzen Deutschlands hinaus nutzen zu können. Im Rahmen der Befragung wurden beispielsweise die Nutzer kostenpflichtiger Streaming-Dienste gefragt, welche Erwartungen sie an deren Nutzung im EU-Ausland haben. Davon stimmten 64 Prozent der Aussage zu, dass das Angebot in allen Ländern der EU abrufbar sein sollte. Doch auch die Nutzer gebühren- oder werbefinanzierter Angebote wie beispielsweise Mediatheken von TV-Sendern wünschen sich die Möglichkeit einer Nutzung im EU-Ausland: 41 Prozent geben an, dass ihnen der Zugriff auf Mediatheken auch vom EU-Ausland aus wichtig ist.
Auch am Zugriff auf Inhalte aus dem EU-Ausland besteht Interesse: 35 Prozent der Befragten, die Inhalte aus dem Internet streamen, haben bereits versucht, von Deutschland aus auf Inhalte aus dem EU-Ausland zuzugreifen. 39 Prozent der Nutzer kostenpflichtiger Video-Streaming-Dienste möchten auf Inhalte zugreifen können, die bereits in anderen Ländern verfügbar sind, in Deutschland aber noch nicht. Wäre der Zugriff auf Inhalte aus anderen Ländern möglich, würden sich 56 Prozent aller Befragten für Spiel- und Kinofilme interessieren, 52 Prozent hätten Interesse an Musikwerken aus anderen EU-Staaten.
EU-Parlament blockiert Verbesserungen für Verbraucher
Mit der ab 2018 vorgesehenen Portabilitätsverordnung soll es Verbrauchern ab dem nächsten Jahr möglich sein, zumindest kostenpflichtig abonnierte Streaming-Dienste vorübergehend auch vom EU-Ausland aus nutzen zu können. Unbeschwerten Zugang zu Online-Diensten von Fernsehsendern aus dem EU-Ausland wird es aber weiterhin nicht geben. Eine von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung, die hier zumindest eine gewisse Erleichterung bringen sollte, stößt auf breiten Widerstand im Europäischen Parlament.
„Es ist vollkommen unverständlich, wie gerade EU-Abgeordnete sich gegen dieses Gesetz stellen können“, so Lina Ehrig, Leiterin Team Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Es ist im ureigenen Interesse Europas, dass Bürger Kultur- und Informationsangebote aus der gesamten EU nutzen können, um dem Ziel einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit näher zu kommen. In Zeiten großer Europaskepsis schaffen es die EU-Parlamentarier nicht, für eine bessere Verbreitung europäischer Inhalte in Europa zu sorgen. Im Gegenteil: Digitale Grenzbäume bleiben weiter aufgestellt.“