Viele geschädigte Anleger im Grauen Kapitalmarkt wollten eine sichere Kapitalanlage und waren sich der Risiken, die sie eingingen, anscheinend nicht bewusst. Dies ergab eine Untersuchung, die die Verbraucherzentrale Hessen im Rahmen des Marktwächters Finanzen durchgeführt hat. In nahezu jedem dritten untersuchten Fall waren mögliche Schadensersatzansprüche bereits verjährt.
In Zeiten von Finanzkrisen und Niedrigzinsen mag vielen Anlegern eine sichere Investition in Sachwerte verlockend erscheinen. Doch oft handelt es sich dabei um risikoreiche Anlagen im Grauen Kapitalmarkt. Viele Hundert Verbraucher suchen deshalb jährlich die Verbraucherzentralen auf – häufig jedoch erst, wenn ihnen bereits ein größerer finanzieller Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Die gebündelten Informationen aus diesen Rechtsberatungen können Aufschluss über Anlagemotive der Verbraucher und Vertriebsstrukturen in diesem Markt geben.
Sechs Monate lang, von September 2016 bis Februar 2017, dokumentierten deshalb Berater der Verbraucherzentralen[1] ihre Beratungen mit einem standardisierten Erfassungsbogen, den die Verbraucherzentrale Hessen im Rahmen des Marktwächters Finanzen entwickelt hat. Die Marktwächter interessierten sich besonders für folgenden Fragen:
- Wie sind Verbraucher an diese Anlagen geraten?
- Was war das Motiv für ihre Geldanlage?
- Zu welchem Zeitpunkt und wodurch realisierten sie Probleme und ergriffen Maßnahmen?
Grauer Kapitalmarkt: Viele Anlageprodukte, viele Anbieter
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen: Die Schadensfälle sind ebenso vielfältig wie der Graue Kapitalmarkt insgesamt. Eine große Zahl an Anbietern und Vermittlern vertreibt eine Vielzahl unterschiedlichster Anlageprodukte. Damit wird deutlich, dass es weniger einzelne schwarze Schafe sind, die Verbrauchern auf dem Grauen Kapitalmarkt Probleme bereiten.
Verbraucher wollten Sicherheit und bekamen Graumarktprodukte
Warum investierten Verbraucher in Produkte des Grauen Kapitalmarktes? Diese Kapitalanlagen versprechen zwar oft eine lukrative Rendite und stellen Vorteile einseitig heraus, bergen aber hohe Verlustrisiken, haben in der Regel lange Laufzeiten und sind schlecht handelbar. Die Berater der Verbraucherzentralen erfragten das Anlagemotiv zum Zeitpunkt des Kaufs. Ergebnis: In über 60 Prozent der Fälle aus der Stichprobe nannten Verbraucher eine sichere Anlage bzw. den Werterhalt als Motiv. Es folgte Altersvorsorge (48 Prozent, 172 Fälle). Eine höhere Rendite spielte als Motiv eine vergleichsweise geringere Rolle (27 Prozent, 98 Nennungen)[2].
Häufig Vertrauen in Vermittler
Auf welchen Wegen schlossen Verbraucher diese Verträge ab? In 70 Prozent der Fälle geschah dies auf Grundlage einer engen Beziehung zwischen Verbraucher und Vermittler:
- In 45 Prozent (161 Fälle) standen die Verbraucher zum Vermittler in einer Geschäftsbeziehung, die bereits mehr als zwei Jahre bestand.
- Bemerkenswert: In weiteren 25 Prozent der Fälle (88 Fälle) war der Vermittler sogar eine Person aus dem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis.
Fünfstellige Summen im Risiko
Durchschnittlich 23.000 Euro investierten Anleger in der untersuchten Stichprobe in ein Produkt des Grauen Kapitalmarktes – für viele eine beträchtliche Summe. Scheitert diese Investition, bedeutet das für den einzelnen, dass er schlimmstenfalls sein gesamtes eingesetztes Kapital verliert.
Schadensersatzansprüche sind vielfach verjährt
Wenn nachweisbar eine Falschberatung stattgefunden hat, also der Verbraucher über wesentliche Merkmale der Geldanlage falsch oder unzureichend informiert wurde, sie nicht verstanden hat oder der Anlageprospekt fehlerhaft war, können Verbraucher Schadensersatzansprüche geltend machen. Dies muss aber gerichtlich und im Einzelfall geklärt werden.
Im Rahmen der Beratung geben die Berater der Verbraucherzentrale aber eine Einschätzung ab, ob ein Anleger im Gerichtsverfahren Chancen auf Schadensersatz gegenüber dem Vermittler oder dem Anbieter hat. Ersatzansprüche verjähren:
- drei Jahre ab Kenntnis des Schadens (zum Jahresende)
- zehn Jahre nach Vertragsabschluss (spätestens, Tag genau)
Bei den meist langlaufenden Investments im Grauen Kapitalmarkt vergehen diese Fristen nicht selten, ohne dass Verbraucher die Probleme bemerken. In 84 Prozent der Fälle, die im Rahmen der Untersuchung ausgewertet wurden (300 von 358 Fällen), sahen die Berater der Verbraucherzentralen grundsätzlich Ansprüche auf Schadensersatz gegeben. In etwa jedem dritten dieser Fälle (105 von 300 Fällen) kamen sie jedoch zu der Einschätzung, dass mögliche Schadensersatzansprüche verjährt sind.
Verbraucher können sich im Vorfeld über die Risiken einer Anlageentscheidung informieren. Die Verbraucherzentralen beraten anbieterunabhängig. Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie auf www.verbraucherzentrale.de/beratung
Methode: Im Rahmen des Marktwächters Finanzen analysierte die Verbraucherzentrale Hessen Rechtsberatungen zu Anlagen im Grauen Kapitalmarkt. Innerhalb eines Erhebungszeitraums von sechs Monaten (September 2016 bis Februar 2017) dokumentierten Berater der Verbraucherzentralen aus 12 Bundesländern 358 Beratungen mit einem standardisierten Erfassungsbogen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Perspektive der Verbraucher. Es handelt sich nicht um eine repräsentative Erhebung aller Schadensfälle auf dem Grauen Kapitalmarkt.
[1] Untersuchungszeitraum: September 2016 bis Februar 2017. Insgesamt wurden 358 Beratungen aus 12 Verbraucherzentralen ausgewertet.
[2] Mehrfachnennungen waren möglich.