Ein Fahrrad ersetzt kein Auto - aber es bietet andere Vorteile!
Was steht im Schnitt 23 Stunden am Tag herum und verbringt die restliche Zeit auf der Straße? Genau! Ein privater Durchschnitts-PKW mit Verbrennungsmotor in Deutschland. Dass dieses Fahrzeug nicht das Beste fürs Klima ist, muss nicht lange erklärt werden. Alle anderen Verkehrsmittel - mit Ausnahme von Flugzeugen - verursachen pro Kilometer weniger Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase. Zu diesem globalen Problem gesellen sich Ärgernisse vor Ort wie überfüllte Parkflächen in Innenstädten, Staus und eine erhöhte Lärmbelastung. Als Lösung hierfür trifft man häufig auf den Hinweis, auf das Fahrrad oder den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) umzusteigen.
Doch: Das eigene Fahrrad hat schnell mal einen Platten oder an der Bahnhaltestelle wird schon wieder gebaut. Dann bleibt keine andere Wahl, als doch ein Auto zu besitzen - oder? Auf dem Land mag das zutreffen, doch im städtischen und stadtnahen Bereich gibt es mittlerweile viele Alternativen, um das individuelle Ziel zu erreichen. In den letzten Jahren haben sich mehr und mehr Mobilitätsanbieter im urbanen Raum etabliert, weswegen zahlreiche Leih- bzw. Sharing-Fahrzeuge durch unsere Städte rollen. Dabei kann es sich um Car- und Lastenrad-Sharing handeln, um Dinge zu transportieren oder den Wocheneinkauf zu machen. Oder um Leihfahrräder, -Mopeds oder -E-Roller für kurze Strecken.
Vielen Menschen erscheint die Nutzung solcher Verkehrsmittel zum Ausleihen im Vergleich zum PKW vor der Haustür umständlich. Richtig ist, dass die einmalige Einrichtung eines Benutzerkontos und die (in Großstädten meist kurze) Suche nach verfügbaren Fahrzeugen mehr Mühe macht als der Griff nach dem Autoschlüssel in der Hosentasche. Doch der Rückgriff auf die Fahrzeugflotte von Mobilitätsanbietern vor Ort hat deutlich mehr Vor- als Nachteile. Die kostspielige Anschaffung sowie laufende Kosten für Strom oder Benzin, Versicherung, Parkplatz, Wartung und Reparaturen eines PKW entfallen. Gleichzeitig eröffnet das Nutzen verschiedener geliehener Verkehrsmittel ganz neue Möglichkeiten, unterwegs zu sein. Beispielsweise kann man nach einem Spaziergang oder Einkaufsbummel einfach das nächste Leihfahrrad nehmen oder in den Bus einsteigen, anstatt wieder zurück zum eigenen Auto laufen zu müssen. Wie es im Alltag mit Leihdiensten läuft und wie uns dabei leicht bedienbare Smartphone-Apps unterstützen, ist in unserem Beispiel weiter unten zu lesen.
Bei der "Qual der Wahl" helfen regionale Nahverkehrsanbieter
Ist die Entscheidung zugunsten alternativer Mobilitätsanbieter statt der Nutzung des eigenen PKW gefallen, taucht das nächste Problem auf, denn es gibt eine kaum noch zu überblickende Menge an Anbietern und Apps rund ums Fahrzeug-Sharing auf dem Markt. Möchte man mit dem Leihfahrrad zum Bahnhof fahren, dort in den Zug steigen und die letzten hundert Meter vom Bahnhof zur Arbeit mit dem E-Roller zurücklegen, muss man bis zu drei verschiedene Apps nutzen. Für jede dieser Apps ist eine Registrierung, die Angabe von Zahlungsinformationen und eine Einwilligung in die jeweiligen Datenschutzbestimmungen erforderlich.
Dieses Problem lösen sogenannte multimodale digitale Mobilitätsplattformen (MDM) zu einem großen Teil. Ein sperriger Begriff, der Apps beschreibt, die mehrere Fortbewegungsmittel vereinen und im App-Store mit griffigen Namen erscheinen. Hier einige Beispiele für verschiedene Städte und Kreise in Deutschland:
- BONNmobil (Bonn) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- hvv switch (Hamburg) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- BVG Jelbi (Berlin) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- KVV.regiomove (Karlsruhe) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- LeipzigMOVE (Leipzig) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- movA (Aachen) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- MVGO (München) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- NürnbergMOBIL (Nürnberg) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- redy (Düsseldorf) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- swa Mobil (Augsburg) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
- ZÄPP (Essen/Mühlheim) Android Download bei Google Play | iOS Download im Apple App Store
Zu diesen Angeboten für deutsche Großstädte und dicht besiedelte Regionen gesellen sich einzelne überregionale Anbieter wie Citymapper (Android | iOS).
Zusammengefasst: Sogenannte MDM-Apps vereinfachen die Mobilität von Verbraucher:innen, die ohne eigenes Auto unterwegs sind, indem sie die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs und von Sharing-Unternehmen vor Ort in einer App bündeln. Da es viele verschiedene MDM-Apps gibt und diese meist regional beschränkt sind, lohnt sich ein Blick auf die Website des hiesigen Nahverkehrsanbieters.
Eine App für alle Fortbewegungsmittel: Der Praxistest
Wir sind beispielhaft in der bayrischen Hauptstadt unterwegs und nutzen die MDM-App MVGO der Stadtwerke München. Die Handhabung ist vergleichbar mit den meisten Apps dieser Art. Dies bedeutet: Eine Registrierung ist oft nicht erforderlich, wohl aber die Zustimmung zur GPS-Ortung. Diese erhöht den Bedienkomfort, sollte aber immer nur für den Zeitraum der tatsächlichen App-Nutzung erteilt werden, da der Anbieter sonst rund um die Uhr den Standort der Nutzerin oder des Nutzers abfragen kann.
Die Kernfunktion von MVGO, wie auch anderer MDM-Apps, ist die Routensuche. Diese funktioniert ähnlich wie Google Maps oder vergleichbare Karten-Apps durch Ortung der eigenen Position und Eingabe eines Ziels. Zusätzlich zum ÖPNV mit Bus, Tram, U- und S-Bahn berücksichtigt die App auch Mobilitätsangebote kommerzieller Anbieter, beispielsweise Carsharing-Dienstleister, Leihfahrräder, E-Scooter, E-Mopeds und Taxis. Im Falle von München und Umgebung sind dies die E-Bikes der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), Elektroroller des Unternehmens Voi, Autos der Carsharing-Anbieter Miles, Free2move, SIXT und StattAuto und Taxiunternehmen. Außerdem zeigt die MVGO-Karte Standorte für Ladesäulen an.
Verkehrsmittel und Fahrzeuge können über die Filterfunktion bei der Routensuche aktiviert und abgewählt werden. Tickets und Abos für Regional- und Fernverkehr können in den meisten MDM-Apps gespeichert werden, zum Beispiel das Deutschlandticket, die Monatskarte oder Einzelfahrscheine für Bus und Bahn vor Ort. Ohne die Anwendung wechseln zu müssen, können hier also Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Mobilitätsangeboten privater Anbieter geplant werden. Nur für die Buchung letztgenannter Fahrzeuge muss noch einmal in die Apps der Carsharing- und Leihanbieter gewechselt werden. MVGO und die meisten Apps dieser Art verlinken aber direkt dorthin. Denn nicht nur im alltäglichen Verkehr, sondern auch bei der App-Nutzung sind kurze Wege die beste Option.
Aber wie sieht die Anwendung von MDM-Apps im Alltag von Verbraucherinnen und Verbrauchern aus? Zum Beispiel so:
Karl fährt morgens mit der U-Bahn zur Arbeit. Kurz vor Feierabend fällt ihm ein, dass er für das Wochenende noch Getränke kaufen wollte. Also bucht er sich ein Carsharing-Auto, fährt damit zum Getränkeladen und dann nach Hause. Wenig später geht es auch schon wieder los, um seine Tochter Anouk zu Fuß vom Sportverein abzuholen. Die ist vom Training ganz ausgepowert und hat keine Lust auf den zwei Kilometer langen Heimweg. Anouk und Karl nehmen kurzerhand für zwei Stationen den Linienbus. Später am Abend möchte sich Karl mit Freunden treffen, um ins Kino zu gehen. Karl nutzt für diesen Weg ein Leihfahrrad, das er direkt vor dem Kinoeingang parken kann, ohne Angst vor einem Diebstahl haben zu müssen. Nach dem Film ist das Fahrrad verschwunden - sicher hat es jemand anders ausgeliehen. Karl entscheidet sich für den Rückweg per E-Roller, der nur circa hundert Meter entfernt parkt.
Karl hat an diesem Tag fünf verschiedene Mobilitätsangebote in Anspruch genommen und ist zu Fuß gegangen. Keines der genutzten Fahrzeuge gehört ihm, wodurch er sich weder um Anschaffung noch Unterhalt kümmern muss. Das Finden, Buchen und Leihen wurde ihm in allen Fällen durch die MDM-App seines Nahverkehrsanbieters ermöglicht.
Grundsätzliches zum Datenschutz: Alle von uns stichprobenartig geprüften Apps verlangen vor dem Gebrauch eine Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen. Letztere sollte man sich grundsätzlich vorher durchlesen, um zumindest auszuschließen, dass der jeweilige App-Anbieter Personendaten auch zu kommerziellen Zwecken nutzt. Dies können personalisierte Anzeigen oder die Weitergabe von Kontaktdaten an Dritte zur Zusendung werblicher E-Mails und Benachrichtigungen sein. Die Zustimmung der Verbraucherin oder der Verbrauchers muss hierzu immer ausdrücklich erfolgen, beispielsweise durch Setzen eines Häkchens oder "Ja"-Antwort auf die Frage nach der Einwilligung zum Erhalt von Marketinginformationen zu Beginn der App-Nutzung. Wer dies nicht wünscht, setzt kein Häkchen bzw. widerspricht der Nachfrage entsprechend.
Diese verbraucherseitige Entscheidung schränkt den Nutzungsumfang der betreffenden App - sofern deren Anbieter nach geltendem Datenschutzrecht operiert - in keiner Weise ein.
Möchten Sie mehr rund um Shared Mobility erfahren? Auf unserer Übersichtsseite zum Thema haben wir viele weitere Informationen zu Klimamehrwert, Kosten, Datenschutz und anderen verbraucherrelevanten Aspekten zusammengetragen.