Cranberry: Sind Produkte zur Vorbeugung von Blasenentzündungen geeignet?

Stand:
Die Wirkung von Cranberry-Nahrungsergänzungsmitteln zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten ist nicht bewiesen - auch der Nutzen zusammen mit Mannose ist kaum belegt. Gegen gelegentliche kleine Mengen Cranberry-Saft ist nichts einzuwenden.
Rote Cranberrys zwischen den Kapseln

Das Wichtigste in Kürze:

Wirkung nicht bewiesen!

  • Studienergebnisse zur Wirksamkeit von Cranberry-Produkten bei Harnwegsinfekten sind nicht überzeugend.
  • Eine Vorbeugung ist bei bestimmten Personengruppen eventuell möglich.
  • Aber: Für Nahrungsergänzungsmittel fehlen die Wirknachweise.
  • Cranberrys und Cranberry-Saft enthalten Oxalate.
  • Gegen den gelegentlichen Verzehr von Cranberry-Saft ist nichts einzuwenden.
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Was steckt hinter der Werbung zu Cranberry-Produkten?

Menschen, die häufig an Blasenentzündungen leiden (Frauen sind häufiger betroffen als Männer), wird vielfach geraten, vorbeugend Cranberry-Produkte einzunehmen. Sie sind als als Kapseln, Tabletten, Saft oder Sirup erhältlich. Nahrungsergänzungsmittel, die Cranberry-Extrakte enthalten, werden meist mit gesundheitlichen Auslobungen, sogenannten Health Claims wie "Tragen zu einer normalen Funktion von Blase und Harnwegen bei" oder "fruchtiger Jungbrunnen für eine gesunde Blase" vermarktet. In Internetblogs findet man allerdings auch deutlich gewagtere Aussagen wie "verhindert das Anhaften von Erregern in der Blase".

Dabei wurden alle beantragten gesundheitlichen Werbeaussagen der Nahrungsergänzungsmittel- und Safthersteller von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als unzulässig abgewiesen, da ausreichende wissenschaftliche Belege fehlten.

Die abgelehnten Werbeaussagen für Cranberrys oder Cranberry-Extrakte betreffen nicht nur allgemeine, sondern auch spezielle Aussagen zur Blasengesundheit, die zum Beispiel eine antibakterielle Wirkung bei Blasenentzündungen versprechen.

Einige Hersteller bedienen sich allerdings eines Tricks: Sie setzen den Produkten häufig Vitamine (z.B. Vitamin C oder Vitamin B6) oder Mineralstoffe (wie Zink und Selen) zu, für die es "passende" / ähnliche zulässige Health Claims gibt. Daher sind alle Werbeversprechen äußerst kritisch zu betrachten.

Es wurden bereits viele klinische Studien zu einer möglichen Schutzwirkung von Cranberry-Produkten auf Harnwege durchgeführt. Hinweise auf eine Wirkung gibt es, jedoch fehlen bislang gesicherte Daten zu Cranberry-Extrakten, die ein eindeutige Aussage zur Schutzwirkung auf Harnwege zulassen. Oft haperte es an der Qualität der Konzepte, entweder an der Durchführung der Studie oder es wurden unterschiedliche Produkte wie Tabletten und Kapseln mit unterschiedlichen Extrakten, Säften oder die Cranberrys selbst eingesetzt. Dadurch war eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht gegeben. Häufig war aus den Forschungsarbeiten auch nicht erkennbar, welche Dosis der mutmaßlich wirksamen Proanthocyanidine die an der Studie Teilnehmenden bekamen. Es besteht weiterhin Unklarheit, wie hoch wirksame Cranberry-Präparate dosiert sein müssten.
 

Eine im März 2022 veröffentlichte Bewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) zeigt immerhin, dass durch den vorbeugenden Einsatz von Cranberry-Präparaten (pflanzliches Arzneimittel!) eine häufig wiederkehrende Blasenentzündung verhindert oder zumindest hinausgezögert werden kann. Für die Behandlung einer Blasenentzündung durch entsprechende Cranberry-Präparate fehlen weiterhin Studiendaten.

Im November 2023 hat ein Cochrane-Review bestätigt, dass es für Frauen und Kinder mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten sinnvoll sein kann, präventiv Cranberry-Produkte (Saft, Tabletten, Kapseln) einzunehmen. Dadurch könnte sich das Risiko für weitere Harnwegsinfekte verringern. Hierbei handelt es sich aber um eine medizinische Therapie, die beim Arztbesuch zu besprechen ist. Das gälte aber nicht für ältere Menschen, Patienten mit Blasenentleerungsstörungen oder schwangere Frauen.

Diese Ergebnisse wurden aber nicht mit  Nahrungsergänzungsmitteln erzielt, für deren Zusammensetzung es (im Gegensatz zum Arzneibuch) keinerlei vorgeschriebene Rezepturen gibt.


Einige Cranberry-Produkte werden zusammen mit Mannose angeboten. Mannose ist eine Zuckerart, die natürlicherweise in Pflanzen vorkommt und Bakterien daran hindern soll, sich an die Schleimhaut der Harnwegen binden zu können und dadurch Entzündungen zu verursachen. Eine systematische Übersichtsarbeit des Forschungsnetzwerks Cochrane hat sieben Studien zur Wirkung von Mannose ausgewertet und kam im Sommer 2022 zum Ergebnis, dass die Datenlage aufgrund unterschiedlicher Mängel nicht ausreichend ist und sich somit keine gesicherten Aussagen zur Wirkung treffen lassen. Mannose-Produkte gibt es (bisher) in Deutschland nur als Medizinprodukt, nicht als Arzneimittel (mit pharmakologischer Wirkung). Allerdings hat der Europäische Gerichtshof im März 2025 entschieden, dass es sich bei der beworbenen Mannose-Wirkung nicht um eine physikalische, sondern eine pharmakologische Wirkung handelt, die Produkte also eine Arzneimittelzulassung benötigen. Hier wird es also zu einer Marktbereinigung kommen.

Gesundheitsbezogene Aussagen für Mannose in Nahrungsergänzungsmitteln sind nicht erlaubt. Die entsprechende Werbeaussage "Zum Erhalt der Blasenschleimhaut"  bezieht sich auf die Vitamine Niacin (B3) und Biotin, die ebenfalls zugesetzt werden. Für diese ist die Aussage "tragen zur Erhaltung normaler Schleimhäute bei" zugelassen.

Was sollte bei der Verwendung von Cranberry-Produkten beachtet werden?

Cranberry-Nahrungsergänzungsmittel benötigen keinen "Beipackzettel", der über Gegenanzeigen, unerwünschte Wirkungen oder Wechselwirkungen mit Medikamenten informiert. In Fachkreisen ist aber bekannt, dass unrichtig verwendete Pflanzenextrakte die Gesundheit auch schädigen können. Gefährdet sind vor allem ältere Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen müssen. Auch bei Cranberry-Produkten sind unerwünschte Wirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten wie z. B. Blutgerinnungshemmern bekannt.

Eine Studie, die den Einfluss einer Nahrungsergänzung mit Cranberry-Extrakten untersuchte ergab, dass es zum Anstieg des Oxalatspiegels im Urin kommt. Daher sollten Cranberry-Produkte von Menschen, die an einer Harnsteinbildung (Urolithiasis) leiden, vermieden werden. Harn- oder Nierensteine sind Salzablagerungen, die sich in der Niere anreichern und abhängig von ihrer Größe entsprechende Beschwerden verursachen können.

Was sind Cranberrys?

Die leuchtend rote Cranberry (botanisch: Vaccinium macrocarpon, auch Kranbeere oder großfruchtige Moosbeere genannt) ist im Nordosten Amerikas beheimatet und wird dort großflächig angebaut. Sie ist mit unserer heimischen Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) sowie der ebenfalls rote Beeren tragenden Moosbeere (V. oxycoccos) verwandt. Cranberrys wurden schon von den amerikanischen Ureinwohnern vielseitig, auch medizinisch, genutzt. Das Fruchtfleisch ist fest, sauer und vor allem auch recht bitter. Der Direkt- oder Muttersaft besitzt einen kräftigen, fruchtigen und säuerlichen Geschmack. Getrocknet ist die Beere aufgrund des meist zugesetzten Zuckers wohlschmeckend. Inzwischen werden großfruchtige Moosbeeren auch in Deutschland, z.B. am Rande der Lüneburger Heide in Niedersachsen, angebaut, da sich der sandige und leicht feuchte Heideboden gut für den Anbau eignet.

Welche Inhaltsstoffe sind in Cranberrys enthalten?

Die Beeren weisen einen hohen Gehalt sekundärer Pflanzenstoffe wie Proanthocyanidine (PAC, auch OPC) und Antioxidantien auf. Demnach sollen PAC entzündungshemmende, antimikrobielle und vor allem antioxidative Wirkungen zeigen sowie durch ihre anhaftende Eigenschaft Harnwegsinfektionen vorbeugen, indem das Anhaften pathogener Keime an die Schleimhäute der Blasenwand und Harnwege verhindert werden soll.

Aus der Forschung gab es erste Hinweise, die die Aussage "kann das Anhaften von Bakterien an die Wände der Harnwege und Blase verhindern" bestätigen. Keime wie das Darmbakterium Escherichia coli könnten somit besser über den Harn ausgeschwemmt werden.  Diese Zusammenhänge sind jedoch wissenschaftlich noch nicht ausreichend sicher sowie der Wirkungsmechanismus ebenfalls noch nicht hinreichend geklärt ist.

Die Europäische Kommission hat 2017 entschieden, dass eine mechanische Wirkungsweise wie das Anhaften von Bakterien an Proanthocyanidine (PAC) unwahrscheinlich ist. Ausschlaggebend ist ein Gutachten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), wonach Stoffwechselprodukte der PAC und andere Bestandteile von Cranberrys eher eine pharmakologische Wirkung aufweisen könnten.

Die Europäische Kommission hat "Pulver aus Cranberry-Extrakt" mit einem Höchstgehalt von maximal 350 mg Pulver pro Tagesdosis als neuartige Lebensmittelzutat in Nahrungsergänzungsmitteln für Erwachsene zugelassen. Diese Zutat darf nur nach einem bestimmten Verfahren hergestellt werden, welches einen PAC-Wert nach BL-DMAC-Methode von 15-18 % Trockengewicht gewährleistet. Es ist als "Pulver aus Cranberry-Extrakt" in der Zutatenliste aufzuführen.

Was sagt der PAC-Wert aus?

Auf vielen Nahrungsergänzungsmitteln werden die Gehalte an Proanthocyanidinen (PAC) in Milligramm (meist zwischen 36 und 65 mg pro Tagesdosis) ausgelobt, jedoch gibt es bis heute keine allgemein anerkannte Methode zur Bestimmung des PAC-Werts in Cranberry-Produkten. Zudem sagt der Gehalt im Produkt noch nichts über die Bioverfügbarkeit im Körper aus.

Oft wird die Tagesdosis mit 36 mg PAC angegeben. Dies ist auf die französische Lebensmittelbehörde (AFSSA) zurückzuführen. Sie kam 2004 zu dem Ergebnis, dass mindestens 36 mg PAC (nach einer bestimmten Methode ermittelt) nötig seien, damit eine Aussage zur Blasengesundheit sowohl auf Cranberry-Fruchtsaft als auch auf das Pulver zuträfe. Inzwischen wird darauf hingewiesen, dass sich die Datenlage verändert hat und die vorbeugende Wirkung nicht mehr bestätigt werden kann.

Unser Tipp: 
Statt isolierte Proanthocyanidine in Kapsel- oder Tablettenform zu kaufen, sollten Sie lieber heimische Beeren wie Heidel-, Preisel- oder Brombeeren genießen oder eine Saftkur mit den entsprechenden ungesüßten Säften (keine Nektare oder Saftgetränke) machen. Die Inhaltsstoffe von Cranberrys und Preiselbeeren sind ähnlich. Sie enthalten beide sekundäre Pflanzenstoffe, Antioxidantien und sind reich an als Ballaststoff wirkenden Pektinen. Deutsche Cranberrys gibt es im Herbst frisch zu kaufen, eignen sich aber nicht für den Rohverzehr.

Da Cranberrys vorwiegend aus Kanada auf unseren Markt gelangen, haben sie durch den weiten Transportweg einen großen CO2-Fußabdruck, der schädlich für unser Klima ist. Heimische Früchte haben eine deutlich bessere Klimabilanz.

Getrocknete Cranberries scheinen in Mengen von ca. 40 Gramm pro Tag möglicherweise auch einen positiven Einfluss auf die Harngesundheit haben zu können. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass diese zu 60-70 % aus Zucker bestehen.

Können Cranberry-Produkte mit Schadstoffen belastet sein?

Cranberry-Pflanzen sind am Boden rankende Pflanzen. Zur Bekämpfung des häufig auftretenden Pilzbefalls können Fungizide eingesetzt werden. Ebenso könnten die Beeren mit Schimmelpilzen bzw. Schimmelpilzgiften belastet sein. Aktuell liegen aber keine kritischen Untersuchungsergebnisse vor. Die Kriterien für Nahrungsergänzungsmittel sind weniger streng als die für Arzneimittel .

Stiftung Warentest kam im November 2016 zu dem Ergebnis: Alle fünf Cranberry-Säfte waren empfehlenswert, aber auch hier fehlten die wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit bei Harnwegsinfektionen. Der beratende Urologe legte dar, dass er seine Patient:innen nicht davon abhält, Cranberry-Saft zu trinken. Er betone aber immer, dass Belege für die Wirksamkeit fehlen.

 

Weiterführende Informationen:

Stiftung Warentest (2023): Schnelle Hilfe bei wunder Blase. Stand: 16.12.2024

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG - Gesundheitsinformation.de: Blasenentzündungen vorbeugen. Stand: 08.02.2023

 

Quellen:


EFSA: Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to proanthocyanidins from cranberry (Vaccinium macrocarpon Aiton) fruit and defence against bacterial pathogens in the lower urinary tract (ID 1841, 2153, 2770, 3328), "powerful protectors of our gums” (ID 1365), and "heart health” (ID 2499) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 2011; 9 (6) 2215

Verordnung (EU) Nr. 957/2010 der Kommission vom 22. Oktober 2010 über die Zulassung bzw. Nichtzulassung bestimmter gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel betreffend die Verringerung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern

Durchführungsverordnung (EU) 2018/1631 der Kommission vom 30. Oktober 2018 zur Genehmigung des Inverkehrbringens von Pulver aus Cranberry-Extrakt als neuartiges Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 der Kommission

Memorial Sloane Kettering Cancer Center: Cranberry. Purported Benefits, Side Effects & More Stand: 05.02.2021 (zuletzt abgerufen am 17.03.2025)

Gupta K et al. (2020): Patient education: Urinary tract infections in adults (Beyond the Basics). Stand: 25.09.2024 (zuletzt abgerufen am 17.03.2025)

Wang CH, Fang CC, Chen NC et al. (2012): Cranberry-containing products for prevention of urinary tract infections in susceptible populations. Arch Intern Med. 2012;172(13):988-996

Anses: Cranberry and urinary tract infections: state of scientific knowledge, Stand: 04.05.2011 (zuletzt abgerufen am 17.03.2025)

Redmond EJ et. al (2019): The influence of dietary supplementation with cranberry tablets on the urinary risk factors for nephrolithiasis. World Journal of Urology 37, 561-566

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG (2022): Wiederkehrende Blasenentzündung: Cranberry-Präparate scheinen zu helfen. Finaler HTA-Bericht, Stand: 10.03.2022 (zuletzt abgerufen am 17.03.2025)

Cooper T et al. (2022): D‐mannose for preventing and treating urinary tract infections. Cochrane Database Syst Reviews, Stand: 30.08.2022

Williams G et al. (2023): Cranberries for preventing urinary tract infections. Cochrane Database Syst Reviews, Stand: 17.04.2023 (zuletzt abgerufen am 17.03.2025)

Bekiares N et al. (2018): Effect of Sweetened Dried Cranberry Consumption on Urinary Proteome and Fecal Microbiome in Healthy Human Subjects. OMICS A Journal of Integrative Biology 22 (2): 145-153

EuGH-Urteil vom 13.03.2025 (Az: C‑589/23) (zuletzt abgerufen am 17.03.2025)

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