Das Wichtigste in Kürze:
- Ein gesundes Gehör ist die Grundlage für die Sprachentwicklung. Fragen Sie Ihren Kinderarzt schon nach einem Hörtest für Neugeborene.
- Lärm kann das Gehör für immer schädigen, entscheidend sind die Lautstärke, die Dauer und der Abstand.
- Prüfen Sie Spielzeug, das Geräusche macht, selbst. Wenn Sie es zu laut finden, ist es für Kinder nicht geeignet.
- Wählen Sie für Kinder Wiedergabegeräte, bei denen die Lautstärke begrenzt ist. Die WHO empfiehlt für Kinder eine maximale Lautstärke von 75 Dezibel.
- Kinder sollten Kopfhörer nur in Ausnahmefällen benutzen.
Kinder können die Sprache nicht richtig erlernen, wenn Gespräche häufig unterbrochen oder verhindert werden. Zudem erlebt der Nachwuchs schon morgens eine enorme Geräuschkulisse im Kindergarten oder in der Schule. Schwerhörigkeit wirkt sich auch auf die schulischen Leistungen aus.
Dazu gesellt sich noch der ganz normale Freizeitlärm. Zuhause wird die Musikanlage aufgedreht, oder es dröhnt der Fernseher. Handys nerven mit schrillen Klingeltönen. Ob Besuche in Kneipen, Kinos oder Diskotheken, ja sogar im Supermarkt - überall gibt es was auf die Ohren. Ganz zu schweigen von der zunehmenden Beschallung durch MP3-Player und Smartphones. Die permanente Berieselung kann zu schweren Krankheiten führen.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellt den Fragebogen „Laut und leise- wie und wann“ zur Verfügung, der hilft, die Geräuschkulisse im eigenen Zuhause einzuschätzen.
Gefahren für junge Ohren
Elektronisches Spielzeug, dudelnde Kinderhandys, Lernspiele mit lautstarker Melodie, Kassettenrekorder für die Gute-Nacht-Geschichte, Rasseln - schon die Kleinsten leben in einer täglichen Lärmkulisse. Trillerpfeifen, Knallfrösche, Quietschtiere, Spielzeugpistolen - auch sie sind im Kinderzimmer zu finden und können bei falscher Handhabung großen Schaden anrichten.
Ein Beispiel: Eine Trillerpfeife, direkt am Ohr des anderen benutzt, kommt mit 130 Dezibel dem Startgeräusch eines Flugzeugs gleich. Die Schmerzgrenze liegt bei 120 Dezibel. Eine Spielzeugpistole bringt es sogar noch in 25 Zentimetern Abstand vom Ohr auf 150 Dezibel. Da ist die Schmerzgrenze drastisch überschritten und ein permanenter Hörschaden nicht auszuschließen.
Wie Kinderlassen sich auch Jugendliche häufig ganz freiwillig beschallen, ohne das Risiko zu erahnen. Ein Beispiel: Ein wöchentlicher Diskothekenbesuch von vier Stunden bei 95 Dezibel und mehr schädigt das Gehör ebenso wie 40 Stunden Arbeit bei 85 Dezibel pro Woche. Bei Jugendlichen sind Smartphones oder MP3-Player ständige Begleiter. Dabei können die Geräte leicht 100 Dezibel erreichen. Wer jede Woche mehr als eine Stunde täglich lautstarke Musik über Kopfhörer (über 89 Dezibel) hört, riskiert nach etwa fünf Jahren einen unheilbaren Hörschaden. Zu diesem Ergebnis kommt ein wissenschaftliches Gremium im Auftrag der Europäischen Kommission.
Lärm als individuelle Empfindung
Lärm - das ist zunächst einmal eine individuelle Empfindung. So stört die laute Partymusik zum Beispiel die Gäste weniger als vielleicht den Nachbarn, der gerade versucht einzuschlafen. Ganz ähnlich verhält es sich da mit dem kläffenden Hund oder dem lärmenden Rasenmäher von nebenan. Was den einen kalt lässt, nervt den anderen. Die Grenze zwischen akzeptierten und störenden Geräuschen ist quasi fließend. Doch auch wenn Lautstärke zunächst individuell als angenehm oder störend empfunden wird, weiß man doch längst, wann der Lärm gesundheitsschädlich ist. Der so genannte Schallpegel wird in Dezibel, kurz "dB" gemessen.
Definitionsgemäß liegt die Hörschwelle bei 0 Dezibel, die Schmerzgrenze hingegen bei rund 120 Dezibel. Zum Vergleich: Ein Düsenflugzeug bringt es auf 130 Dezibel. Schon bei einem Lärmpegel von 80 Dezibel muss beispielsweise ein Arbeitgeber Gehörschutz zur Verfügung stellen, ab 85 Dezibel ist das Tragen Pflicht. Wird es lauter als 120 Dezibel, besteht Verletzungsgefahr. Bei einem Detonationsknall von 150 Dezibel kann das Trommelfell platzen. Am Ende ist Lärm also vor allem eins: ein lautes Geräusch, das auf Dauer belastet und sogar krank machen kann - auch dann, wenn wir es selbst zunächst gar nicht wahrnehmen.
Hörschäden bei Kindern
Nur wer gut hört, kann gut sprechen lernen. Bereits in den ersten Lebensmonaten werden die Grundlagen für das Sprechen gelegt und die vielfältigen Vernetzungen des Hörsinns im Gehirn des Kleinkindes verknüpft. Je eher man eine Hörstörung bei Kindern entdeckt, umso größer ist die Chance einer erfolgreichen Korrektur. Seit 2009 ist das Neugeborenen Hörscreening eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Wenn Sie bei Ihrem Kind eines oder mehrere der folgenden Symptome beobachten, sollte dringend ein/e Hals-, Nasen-, Ohrenarzt/-ärztin aufgesucht werden:
- Das Kind stagniert in seiner Sprachentwicklung.
- Bei Ansprache antwortet das Kind zeitlich verzögert oder gar nicht.
- Es kann Geräusche nicht imitieren.
- Es hat Schwierigkeiten Geräusche zu orten und reagiert deshalb nicht auf Hörreize außerhalb seines Blickfeldes.
- Das Kind hat wenig soziale Kontakte.
- Es hat häufig Ohrentzündungen.
Eine Checkliste "So zeigt sich, wie gut Ihr Kind hört" stellt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Kinder im Alter von null bis vier Jahren zur Verfügung.
Säuglings-Hörtest als Kassenleistung
Von 1.000 Kindern kommen in Deutschland im Schnitt zwei bis fünf Kinder mit einer Hörstörung auf die Welt. Schwerhörigkeit bei Kindern wird hierzulande durchschnittlich erst im Alter von 18 Monaten entdeckt. Mittelschwere Hörprobleme fallen im vierten Lebensjahr, leichte Hörstörungen sogar erst zur Einschulung auf. Je später ein Hörschaden entdeckt wird, umso geringer sind die Chancen auf Heilung. Der Früherkennung von Hörschäden ist demnach eine hohe Bedeutung zuzuweisen. Erfreulicherweise sind seit dem 1. Januar 2009 Hörtests für Neugeborene Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkasse. Das Hörscreening ist schmerzfrei und dauert pro Ohr nur eine Minute. Fragen Sie schon vor der Entbindung in Ihrem Krankenhaus, beim Kinderarzt oder bei der Hebamme nach der Durchführung des Säuglings-Hörtests.
Hörprobleme bei Jugendlichen
Pfeifgeräusche und vorübergehende Schwerhörigkeit können erste Anzeichen dafür sein, dass das Gehör eines Jugendlichen übermäßig strapaziert wird. Besonders laute Geräuscherlebnisse "vergisst" unser Gehör nicht. Chronische Lärmschäden kommen schleichend. Sie bleiben meist lange Zeit unbemerkt. Zunächst werden Sprache und Umgebungsgeräusche dumpfer wahrgenommen, später können dann während der Hörwahrnehmung ganze Satzteile fehlen. Darüber hinaus kann Lärm auch das Herz-Kreislaufsystem beeinflussen und bei Kindern und Jugendlichen zu Konzentrationsschwäche führen. Schlafstörungen und Bluthochdruck sind keine seltenen Lärmfolgen.
So arbeitet das Ohr
Ohren sind Schwerstarbeiter und immer im Dienst. Selbst im Schlaf ist das hochkomplexe System in Alarmbereitschaft. Das menschliche Ohr besteht aus drei Teilen: dem Außenohr, dem Mittelohr und dem Innenohr. Das äußere Ohr fängt Schallsignale auf, dann geht es durch den Gehörgang, der am Trommelfell endet. Dieses dünne Häutchen trennt das äußere Ohr vom Mittelohr und ist für die Weiterleitung des Schalls verantwortlich. In den Gehörknöchelchen im Mittelohr wird der Schall zu Knochenschwingungen gewandelt. Zu starke Schwingungen des Trommelfells werden gedämpft, damit das Innenohr nicht durch extreme Vibrationen (Lärm) geschädigt wird. Das Innenohr enthält schließlich die Sinnesrezeptoren für das Gehör. Sie sind in der so genannten Schnecke angesiedelt und stellen über den Hörnerv die Verbindung zu den Reizverarbeitungs-Zentren im Gehirn her.
Grenzwerte und Richtlinien
Während im Arbeitsschutzgesetz längst Grenzwerte festgelegt sind, welche Lautstärke am Arbeitsplatz ohne Ohrenschutz zulässig ist, sind dem Lärm im Kinderzimmer wenig Grenzen gesetzt. Für Kinderspielzeug legen die europäische "Spielzeugrichtlinie" und die dazugehörige Europa-Norm 71-1 die maximale Lautstärke fest. Diese Norm geht davon aus, dass ohrnahes Spielzeug im Abstand von 2,5 cm vom Ohr benutzt wird. Sie legt bei ohrnahem Spielzeug Grenzwerte für den Spitzenschalldruckpegel (110 Dezibel) und den zeitlichen Mittelwert (60-70 Dezibel) fest.
Diese Werte sind jedoch praxisfremd, da Kinder diese Abstände im Spiel oft nicht einhalten werden. Die Folge ist, dass die Gegenstände direkt am Ohr einen erheblich höheren Schallpegel erzeugen können. Eine Erhöhung des Schallpegels um zehn Dezibel empfindet der Mensch als Verdopplung der Lautstärke.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Kinder eine maximale Lautstärke von 75 Dezibel.
Fazit: Leider können sich Eltern nicht allein auf Richtlinien und Normen zum Lärmschutz für Kinder verlassen, sondern sollten ein "offenes Ohr" für die Geräuschumgebung ihrer Kinder haben. Jede Menge hilfreicher kostenloser Hinweise bietet die INITIATIVE HÖREN.
MP3 und Co.
Portable Audiogeräte wie Smartphones sind der Renner bei Kindern und Jugendlichen. Tragbare Spielekonsolen funktionieren ebenfalls mit Kopfhörern und tragen zur lautstarken Berieselung bei.
Die Stiftung Warentest stellte fest, dass von 13 getesteten Kindermusikspielern 11 zu laut waren, 8 allerdings nur, wenn sie mit Kopfhörern benutzt wurden.
Tragbare Audiogeräte, die nach dem 24. Januar 2013 auf den europäischen Markt gelangen, sollten nach DIN EN 60065 standardmäßig eine maximale Lautstärke von 85 Dezibel vorgeben. Dem Nutzer bleibt jedoch freigestellt, diese Grenze auf 100 Dezibel zu erhöhen. In diesem Fall sollte alle 20 Stunden Hördauer ein Warnhinweis über die Risiken wiederholt werden.
Eltern als Lärmwächter
- GS-Zeichen: Das steht für geprüfte Sicherheit und garantiert, dass die Grenzwerte bei akustischem Spielzeug eingehalten werden.
- Selbst die Lautstärke testen:: Da die Kennzeichnung von Spielzeug und Unterhaltungselektronik häufig noch mangelhaft ist, verlassen Sie sich beim Kauf am besten auf Ihre eigenen Ohren.
- 60-60 Regel: Die britische Selbsthilfe-Organisation "Deafness-Research" (Taubheitsforschung) hat eine einfache Regel für den Gebrauch von Audioplayern aufgestellt: Maximal 60 Minuten bei maximal 60 % der Lautstärke.
- Mithörer: Ist der Player so laut eingestellt, dass Außenstehende trotz Kopfhörer mithören können, ist die Lautstärke zu hoch.
- Kopfhörer: Nur die Originalkopfhörer wurden in Kombination mit dem Gerät getestet. Ein fremdes Modell könnte den Schall noch verstärken. Vorsicht bei speziellen schallverstärkenden Kopfhörern. Sie heben die Pegelbegrenzung möglicherweise auf.
- Besuch beim Hörgeräteakustiker: Ein Besuch beim Akustiker kann Aufschluss über erste Hörverluste des Kindes oder des Jugendlichen geben. Eventuell bietet sich ja auch einmal die Möglichkeit, das Abspielgerät messen zu lassen.
- Ohrstöpsel oder Kapselhörschutz ("Mickey Mouse Ohren"): Wer sein Kind auf Konzert- und Festivalbesuche mitnimmt, sollte darauf achten, dass das Kind einen Hörschutz trägt, wenn´s laut wird.
- Lärmpausen: Hat das Ohr viel Lärm ertragen, sollte man den Tag danach ruhig angehen lassen. Schallpegel von mehr als 80 Dezibel über längere Zeit meiden.
- Vorsicht Knall: Spielzeugpistolen, Spielzeugtrompeten oder Pfeifen sollten nie nah am eigenen Ohr oder dem eines anderen benutzt werden. Sie verursachen impulsartige Geräusche, die so kurz sind, dass sie in ihrer eigentlichen Lautstärke gar nicht erfasst werden. Dafür sind die Folgen aber nicht weniger gefährlich.
- Vorbildfunktion: Überdenken Sie einmal Ihre eigenen Gewohnheiten im Alltag: Muss der CD-Player, das Radio oder Fernsehgerät ständig im Hintergrund laufen? Wenn Eltern von sich aus bereits ständig für eine laute Geräuschkulisse zuhause sorgen, brauchen sie sich über die Lärmtoleranz ihrer Kinder nicht zu wundern.
Lärmreduzierung in der Wohnung
Kinder sollten in ihrem Zimmer keinem dauerhaften äußeren Lärm ausgesetzt sein - etwa durch eine verkehrsreiche Straße, eine Bahnstrecke oder einen gewerblichen Betrieb. Den Eltern bieten sich verschiedene Möglichkeiten, den Lärm zu verringern:
- Raumwechsel: Obenan steht, zu überlegen, ob das Zimmer des Nachwuchses in einen anderen Bereich der Wohnung verlegt werden kann.
- Bauliche Verbesserungen: Informieren Sie sich über Kosten des Einbaus von Schallschutzfenstern. Zunächst lässt sich auch schon durch eine Abdichtung einer mangelhaften Dämmung im Anschlussbereich Fenster-Wand Lärm verringern. Auch nachträglich eingebaute Schallschluckwände helfen.
- Bodenbelag: Die Wahl des Bodenbelags spielt innerhalb der Wohnung eine entscheidende Rolle für das Lärmaufkommen. Das Verlegen von Teppichen, Trittschalldämmungen oder Dämm-Matten kann die Innenraumakustik entscheidend beeinflussen.
- Türen: Undichte Fugen an Türen lassen Lärm und Krach in die Wohnung. Mithilfe von selbstklebendem Dämmband für Türen kann die Lärmschutzqualität verbessert werden.