Podcast: Wie reisen wir nach Corona?

Stand:
Wenig wurde von Corona so sehr verändert wie das Reisen. Mit steigender Impfquote wächst die Hoffnung, dass der Sommerurlaub 2022 noch zu retten ist. Doch welche langfristigen Auswirkungen wird die Pandemie auf unsere Reisen gehabt haben?
Logo des Podcasts "genau genommen" mit der Illustration einer Frau
Off

 

Darum geht es:

Wie hat die Pandemie das Reisen verändert?

Von Gutscheinen bis Flex-Tarifen hat sich einiges am Reisemarkt im Zuge der Pandemie verändert. Es wird anders gereist und sich auch mehr auf eine Reise vorbereitet. Außerdem soll ein neuer Reisesicherungsfonds für mehr Sicherheit bei Insolvenzfällen sorgen. Was die einzelnen Veränderungen für Hintergründe haben und welchen Einfluss sie auf die Zukunft haben werden, wird in dieser Folge erklärt.

 

Diesmal zu Gast:

Karolina Wojtal (EVZ) und Felix Methmann (vzbv)

Als Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrum Deutschlands gibt Karolina Wojtal ihre Einschätzungen zu dem veränderten Reiseverhalten in der Pandemie und wie der Markt darauf reagiert hat. Felix Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband liefert Einschätzungen zum europäischen Reiserecht, dem neuen Reisesicherungsfonds und erklärt, warum der Ursprung vieler Probleme die Vorkasse ist.

 

Transkript

Ganze Folge zum Nachlesen

Hier klicken, um das Transkript zu öffnen...

Dorian Lötzer: Neben Lockdown, Maske und Impfstoff spiegelt wenig den Einfluss der Corona Pandemie so deutlich wider, wie die Einschränkungen beim Reisen. Egal ob wegen der Quarantäne bei der Einreise, PCR Tests vor Abflug, oder Wortgiganten wie Hochrisiko- oder Virusvariantengebiete - das Reisen ist während der Pandemie alles andere als entspannt geworden.

Viel wird darüber berichtet, worauf man achten muss, wenn man nun selbst Urlaub plant oder wie man die für sich besten Reiseziele ermittelt. Das möchte ich heute aber nicht besprechen, weil meine Kolleg:innen in anderen Formaten schon viel zu den Themen gesagt haben. Die Links dazu packe ich natürlich die Shownotes.

Stattdessen möchte ich heute etwas breiter ermitteln, ob die Corona Pandemie das Reisen an sich nachhaltig verändert hat. Wie hat sich unser Reiseverhalten eigentlich geändert? Was für Auswirkungen hat das auf den Markt gehabt und muss unser Reiserecht Pandemie, freundlicher gestaltet werden? All das gibt es jetzt.

Mein Name ist Dorian Lötzer. Willkommen bei Genau Genommen.

Das Thema Reisen ist eines, das für mich wie viele andere ziemlich wichtig ist. Privat wie beruflich war ich früher oft unterwegs und habe es immer genossen, neue Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln. Und doch sieht es seit Anfang der Pandemie eher schlecht aus. Hin und wieder reicht es für ein anderes Bundesland, viel mehr ist bei mir zumindest oft nicht drin.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich optimistisch oder naiv bin, aber ich hoffe dennoch, dass ich eine Zeit nach der Pandemie mit der Liebe, in der das Reisen wieder weniger aufwendig wird. Das ist aber genau so wird wie vorher glaube selbst ich nicht wirklich.

Deswegen habe ich die Gelegenheit dieser Folge genutzt, um nachzuvollziehen, welche Änderungen Corona tatsächlich bewirkt hat und ob diese auch längerfristige Konsequenzen mit sich ziehen werden. An erster Stelle steht natürlich die Frage, was die Pandemie grundsätzlich mit dem Reisen gemacht hat.

Karolina Wojtal: Es gab dann eine große Zeit der Unsicherheit, wo wir definitiv sagen können, ein starker Buchungseinbruch war zu verzeichnen. Wir waren natürlich alle mit unseren Verbrauchern verunsichert, welche Auswirkungen die Pandemie hat und wie es weitergeht. Damals war auch noch keine Impfung in dem Sinne in Sicht und insofern gab es diesen Einbruch. Aber man kann auch sagen, er war nur von kurzer Dauer. Also die Lust auf Urlaub ist definitiv ungebrochen, gerade auch bei unseren deutschen Verbrauchern, die ja immer noch als Reiseweltmeister bekannt sind.

Dorian Lötzer: Hier spricht Karolina Wojtal, Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland. Und sie hat mir erklärt, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf unser Verhalten gehabt haben.

Karolina Wojtal: Wir haben dann doch sehr schnell gesehen, dass die Verbraucher weiter buchen möchten und nach Möglichkeiten suchen, wie das für sie mit einer Pandemie in Einklang zu bringen ist. Das heißt, wir haben durchaus gesehen, dass das Buchungsverhalten sich ändert.

Da, wo Verbraucher in der Vergangenheit eventuell gesagt haben, „ich möchte einfach nur in die Sonne für eine bestimmte Zeit mit meiner Familie, der Ort an sich ist mir vielleicht dann nicht ganz so wichtig. Es kann Spanien sein, es kann Griechenland sein, es kann aber auch etwas außerhalb Europas sein.“ Da haben wir bemerkt, dass die Verbraucher sich vorab sehr viel stärker über das Reiseziel und auch über die Gegebenheiten vor Ort informieren.

Dorian Lötzer: Die Einreisebedingungen oder Hygiene Einschränkungen vor Ort waren von Land zu Land unterschiedlich und wir mussten uns an der Stelle natürlich viel mehr dazu informieren, wo wir am liebsten unseren Urlaub verbringen, damit wir uns darauf einstellen konnten, ob Sehenswürdigkeiten, Bars oder Restaurants überhaupt geöffnet waren oder der Zugang zum Hotelpool noch gewährleistet wurde.

Karolina Wojtal: Alles Dinge, wo wir sagen müssen, die Fragen danach was man beachten soll, worauf man achten soll und welche Einschränkungen auch möglich sind und zulässig und auch zumutbar - die haben sich definitiv verstärkt.

Dorian Lötzer: Und diese zusätzliche Recherche hat auch Auswirkungen auf die Art von Reisen gehabt, die letztendlich in der Pandemie angetreten wurden. So haben Reisen, in denen man relativ unabhängig und isoliert unterwegs sein kann, wie zum Beispiel in einer Ferienwohnung oder beim Campen mit den Wohnwagen an Attraktivität gewonnen, auch weil längere Aufenthalte in Zügen oder Flugzeugen erheblich unattraktiver wurden.

Zusammenfassend also die Pandemie war, wie man vielleicht auch vermuten konnte, ein sehr wichtiger Faktor in unserem Entscheidungsprozessen und hat letztendlich dazu geführt, dass wir uns viel mehr zu Reiseziel und Urlaubsort informiert haben, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Und dieses veränderte Verhalten hat einige Konsequenzen mit sich gezogen.

Der erhöhte Rechercheaufwand hat sich nämlich auch in den Teilen der Reisebuchen widergespiegelt, die man sonst vielleicht eher als zweitrangig betrachtet hat. So ist ein wichtiges Kriterium für Reisende in der Pandemiezeit geworden, was mit ihrem Geld passiert, wenn die Reise doch nicht stattfinden kann. Nachdem 2020 etliche Reisen abgesagt wurden und viele Verbraucherinnen nicht wussten, ob und wie sie ihr Geld wiederbekommen, war nämlich klar, dass ich was am Markt ändern muss.

Wir kennen das alle, wir haben immer schon gesehen, dass es diese Stornogebühren gibt, die teilweise, wenn man eben recht kurzfristig absagt, sehr hoch sein können. Manche Anbieter haben auch in der Vergangenheit schon Umbuchungen angeboten. Aber das war eher selten und wir sehen, dass sich hier der Markt auch natürlich an die Forderungen und an die Bedürfnisse der Verbraucher angepasst hat. Das heißt dort, wo das früher undenkbar war, eine kostenlose Storno Möglichkeit zu haben, bieten die entsprechenden Veranstalter und Anbieter jetzt solche sogenannten Flex-Tarife an. Die es mir eben ermöglichen bis zu (in der Regel sag ich mal, es kommt ein bisschen auf das Produkt an) 14 Tage vor Reiseantritt ohne Angabe von konkreten Gründen - ich muss das also nicht rechtfertigen - stornieren kann.

Dorian Lötzer: Also da, wo wir als Verbraucherinnen in der Vergangenheit das Risiko übernehmen mussten, ist der Druck nun so groß geworden, dass der Markt sich angepasst hat und versucht, flexiblere Angebote einzuführen, die die Hemmschwelle zum Reisen verringern sollen. Grundsätzlich gelöst ist das Problem damit aber noch nicht. Das liegt daran, dass statistisch die meisten Stornierung in einem kürzeren Zeitraum stattfinden als diese üblichen 14 Tage, die angeboten werden, weil es hierbei halt oft an unvorhersehbaren Umständen und Notfällen liegt.

Karolina Wojtal: So dass wir auf jeden Fall sagen können: Das ist gut, dass es diese Flex Tarife gibt, aber in vielen Fällen sind sie eben auch nicht der Königsweg dahin, dass ich auch insbesondere in einer Coronasituation hier wirklich ohne finanziellen Schaden wieder aus dieser Buchung herauskomme. Denn wir haben alle gesehen: Die Coronaentwicklung kann vor Ort innerhalb weniger Tage wirklich sehr dynamisch entwickeln und die Verbraucher haben hier zwar eine gewisse Sicherheit, aber eben auch keine vollständige.

Eine ähnliche Entwicklung ist in dem Gebiet der Reiseversicherungen zu beobachten. Auch da wurden neue Angebote auf den Markt gebracht, die auf die Corona Pandemie angepasst wurden, was auch notwendig war, weil viele Versicherungen in der vor Corona Zeit noch explizit Pandemien ausgeschlossen haben. Nun soll das erweiterte Versicherungsangebot Reisende den Rückhalt geben, auch während der Pandemie sorgenfrei reisen zu können.

Karolina Wojtal: Aber Vorsicht: Ich brauche weiterhin einen sogenannten persönlichen Verhinderungsgrund. Das heißt ich erkranke oder ich habe einen Unfall oder (man wünscht es niemandem), aber vielleicht ein naher Angehöriger verunglückt tödlich. Es können aber auch Dinge wie Arbeitslosigkeit oder eine unerwartete Prüfung, die auf mich zukommt, abgedeckt sein. Also auch hier ist es so: Der Markt hat reagiert, aber die Verbraucher dürfen sich hier nicht in falscher Sicherheit wiegen, sondern müssen mit uns gemeinsam sehr genau schauen was sind es für Produkte und würden die denn das, was ich überhaupt haben möchte - und das ist in vielen Fällen eben die unproblematische Stornierung einer Reise - würde das überhaupt abgedeckt sein?

Sowohl die Flex Tarife als auch die Corona Versicherungen sind also Reaktion auf eine Pandemie und auch besser informierte Verbraucher innen, die grundsätzlich zu begrüßen sind, aber Reisende dennoch nicht so abdecken, dass sie komplett sorgenfrei ihre Reise antreten können. Positiv zu bemerken ist hier dennoch, dass diese Entwicklungen auch daher stammten, dass wir Verbraucher:innen uns bewusster geworden sind, was für uns wichtig ist und dass wir diese Entwicklungen dadurch auch mitbewirkt haben. Und das ist die Veränderung, die ich gerne an dieser Stelle in den Vordergrund stellen möchte. Dass wir als Reisende mehr Zeit und Energie in die Vorbereitung für die Reise gesteckt haben, sei dies zum Reiseort, der Urlaubsart, der Reiseversicherung oder den Vertragskonditionen beim Reiseanbieter hat mit dazu geführt, dass der Reisemarkt als ganzes Verbraucherfreundlicher geworden ist.

Noch eine gute Nachricht: Frau Wolter erwartet, dass sich diese Veränderungen auch in einer nach Pandemie Zeit halten werden, weil Reisende sich daran gewöhnt haben werden, bessere Angebote zu kriegen und diese dann weiter einfordern. Aus Sicht der Verbraucherschützer:innen gibt es insbesondere, was die Angebotsflexibilität und der Vorkasse-Regelungen von Reiseanbietern angeht, weiterhin ausbaubedarf. Aber die Corona Pandemie hat schon mal gezeigt, dass es möglich ist, durch verändertes Verbraucherverhalten Marktbedingungen zu verbessern. Sofern wir also weiterhin genauer beim Buchen hinschauen, was wir für Konditionen kriegen und die flexibelsten Optionen auswählen, können wir also davon ausgehen, dass uns auch nach der Pandemie mehr Flexibilität geboten wird.

Nun decken Angebot und Nachfrage (in diesem Fall was Reisende verlangen und wie die Reisebranche darauf reagiert) ja bekanntermaßen nur einen Teil der Marktentwicklungen ab. Interessant ist aber auch, wie sich die rechtliche und politische Lage entwickelt haben.

Oft decken große, unvorhergesehene Krisen zum Beispiel Probleme in bestehenden Gesetzen auf, weil diese nicht auf alle Eventualitäten geprüft waren. Um herauszufinden, wie sich unser Reiserecht in der Pandemie gemacht hat, habe ich bei Felix Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband angerufen.

Felix Methmann: Also erst mal bin ich ganz zufrieden, dass das Pauschalreiserecht (das kommt ja aus einer europäischen Richtlinie) doch ein sehr hohes Maß an Verbraucherschutz schon bietet. Aus Verbrauchersicht hat sich eigentlich herausgestellt, dass das auch völlig ausreichend ist, was auf dem Papier steht. Wir haben dann aber gemerkt, dass es ebenso in der Praxis enorme Schwierigkeiten macht in der Pandemiesituation, weil die Reiseanbieter eben nicht wie vorgesehen innerhalb von 14 Tagen die Rückzahlungen vornehmen können, wenn sie eine Reise stornieren. Und das haben sie ja massenhaft machen müssen in Corona. Dann müssen sie halt innerhalb von 14 Tagen das Geld (die Vorauszahlungen an die Kunden) erstatten. Und das hat natürlich nicht funktioniert.

Dorian Lötzer: Wegen der Ausnahmesituation waren Reiseanbieter nämlich schlicht nicht in der Lage, die Mengen an Rückerstattungen zu stemmen. Ihr Lösungsansatz war von der Politik eine Regelung verabschieden zu lassen, unter der man statt einer Barrückerstattung den Reisenden einen Gutschein ausstellt, den sie zu einem späteren Zeitpunkt bei dem Anbieter einlösen könnten. Aus Verbrauchersicht war das aber nicht ausreichend, weil das erstens die Reisende an den Anbieter bindet und zweitens diese Gutscheine nicht im Falle einer Insolvenz abgesichert werden. Sprich: Geht der Anbieter, von dem ich einen solchen Gutschein erhalten habe, pleite, kriege ich auch kein Geld zurück.

Weil dieser Lösungsansatz vorgesehen hat, dass Reisende dennoch diese Gutscheine verpflichtend akzeptieren müssten, um die Reiseindustrie zu schützen, war hier oft von sogenannten „Zwangsgutscheinen“ die Rede. Verbraucher:innen und Verbraucherschützer waren verständlicherweise damit ganz und gar nicht einverstanden, was letztendlich nach vielen Verhandlungen dazu geführt hat, dass auf europäischer Ebene entschieden wurde, dass Gutscheine zwar ausgestellt werden dürften, diese aber vor Insolvenz gesichert und freiwillig sein müssten. Das heißt für unsere Zukunft also konkret, dass wir uns nicht damit zufriedengeben müssen, dass uns ein Reiseanbieter einen Gutschein anbietet, wenn unsere Reise nicht stattfindet. Das ist wahrscheinlich auch eine der Gründe, warum wie wir von Karolina Wojtal erfahren haben, die Reisebranche mit flexibleren Tarifen ihr Angebot in der Pandemie nachgebessert hat.

Die Gutscheine sind aber nicht die einzige Entwicklung im Bereich der Reiserückerstattungen in diesem Jahr wird nämlich ein sogenannter „Reisesicherungsfonds“ eingeführt, der einen größeren Einfluss auf die Zukunft der deutschen Reisen haben könnte.

Felix Methmann: Der Reisesicherungsfonds wurde jetzt geschaffen, weil man aus den Fehlern der Thomas Cook-Pleite gelernt hat. Das war schlicht so, dass - oder sagen wir mal so, in der Pauschalreiserichtlinie steht ja drin, dass die Reiseanbieter sich gegen die eigene Insolvenz absichern müssen. Sie müssen sicherstellen, dass wenn Sie in Insolvenz gehen, dann die vorausgezahlten Kunden Gelder zurückgezahlt werden und dass die Kunden, die schon im Urlaub sind, auch wieder zurück transportiert werden.

Dorian Lötzer: Statt das also wie bisher unser gezahltes Geld durch Versicherungen der Reiseanbieter vor deren Insolvenz geschützt wird, welches jetzt erfahrungsgemäß nicht ausreichend war, müssen nun alle Anbieter mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro prozentual in einen Fonds einzahlen, der dann in einem Insolvenzfall die Rückzahlungen übernimmt. Felix Methmann schätzt dieses Vorhaben prinzipiell als sehr gut ein und erwartet, dass es erfolgreich wird.

Felix Methmann: Ich bin schon sehr zufrieden damit. Ich glaube, wir haben da ein sehr gutes Modell und dieser Reisesicherungsfonds, der wird, glaube ich, so attraktiv werden: Im Moment ist er ja verpflichtend für die Reiseunternehmer, die mehr als 10 Millionen Euro Umsatz haben und alle, die drunter liegen müssen nicht, dürfen aber. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass der Reisesicherungsfonds so gut arbeiten wird, dass sich auch immer mehr kleinere Unternehmen (Reiseanbieter) dazu durchringen werden, zum Realisierungsfonds zu kommen und dort einzuzahlen, weil es wahrscheinlich dann auch die günstigste Alternative ist - günstiger als eine Versicherung. Und ich glaube, dass das mit dem Reisesicherungsfonds ein Riesenerfolg wird…

Dorian Lötzer: was wir uns vielleicht keine sofortigen Auswirkungen haben wird, aber wenn es mal wieder zu einer großen Insolvenz 2019 bei Thomas Cook kommen sollte, stünden die Betroffenen um einiges besser da.

Der letzte Punkt, auf den ich heute eingehen möchte, ist wahrscheinlich auch der politisch umstrittenste und somit sehr wichtig. Tatsächlich ist es nämlich so, dass der zentrale politische Konflikt im Reisebereich eben nicht bei den Rückerstattungen stattfindet, sondern schon bei der Buchung der Reise - bei der sogenannten „Vorkasse“. In der Regel war es nämlich lange Zeit so, dass Verbraucher:innen ihre Reisen schon relativ weit im Voraus gebucht haben und bezahlen mussten. Das Geld liegt dann unter Umständen monatelang bei den Reiseanbietern und das finanzielle Risiko ist bei den Reisenden selbst. Das kritisieren Verbraucherschützerinnen.

Felix Methmann: der Verbraucher geht mit seiner Vorkasse (mit seiner Vorleistung) ein Risiko ein. Im Reisebereich eben doch etwas weniger, weil dieses Geld gegen Insolvenz geschützt ist. Aber er geht eben insoweit noch in anderer Form ein Risiko ein, als er ja eine Vorleistung erbringt (diese 20% bis 40% ja auch häufig) bei Buchung - und das ist ja häufig Monate im Voraus. Und gerade in heutigen Zeiten, in Corona-Zeiten, wo eigentlich nichts mehr sicher ist, wo man sich wirklich - Früher hat man im Februar die Reise für Sommer gebucht oder auch schon im Januar und wusste: das läuft. Da hat man sich gesagt, „Ok 40% Vorkasse ist ärgerlich, aber es wird laufen.“ Heute buchen die Leute extrem kurzfristig und darüber beschwert sich auch die Reisewirtschaft. Aber warum ist das denn so? Eben weil ich ein Großteil bei Buchung zahlen muss und mir gar nicht sicher sein kann, ob die Reise überhaupt stattfindet. Das heißt da habe ich gar nicht das Problem damit, dass das Unternehmen insolvent werden könnte, denn das ist ja versichert das Geld, sondern: Das Problem, dass sich jetzt Verbrauchern stellt: Ich Buche, zahle voraus 40% und weiß aber gar nicht so richtig was passiert denn eigentlich, wenn die Reise abgesagt wird? Krieg ich das Geld dann sofort zurück?

Dorian Lötzer: An dieser Stelle muss ich ein paar Feinheiten erklären. Unterschieden haben Felix Methmann und ich in unserem Gespräch nämlich zwischen den Pauschalreiseanbietern, was in der Regel unternehmen sind, die sogenannte Pauschalreisen (sprich: eine Kombination aus Anreise und Unterkunft oder Ähnliches) anbieten und Fluganbietern, bei denen ich nur meinen Flug buche.

Für die beiden gelten nämlich verschiedene Regeln. Während Reiseanbieter mittlerweile in der Regel flexible Zahlungsoptionen anbieten, wo man vielleicht zwischen 20 und 40% des Preises im Voraus zahlt, ist es bei Flugbuchungen weiterhin so, dass man hundert Prozent bei der Buchung selbst bezahlt. Darüber hinaus ist man bei gebuchten Pauschalreisen von Insolvenzfällen gesichert, während das bei Flügen nicht der Fall ist. Und das ist der Ursprung der anderen Probleme, die ich heute angesprochen habe. Je mehr man im Voraus zahlen muss, desto risikoreicher werden Rückerstattung.

Felix Methmann: Das ist eben so das Problem, das Dilemma, in dem die Reisenden die buchen denn jetzt stehen und das hängt eben alles mit dieser Vorkasse zusammen. Das ist das große Problem, wenn wir das, wenn wir die Vorkasse nicht hätten, dann stünden die Verbraucher da auch vor weniger Problemen. Und deshalb sind wir halt sehr dafür, dass wir diese Vorkasse doch möglichst abschaffen und da sollten wir bei den Fluggesellschaften anfangen. Im Bereich Flugbuchungen (nur Flug Buchungen) eben, weil hier die Situation für Verbraucherinnen nochmal schlechter ist als bei Pauschalreisen.

Dorian Lötzer: Darüber hinaus betrifft die Vorkasse bei Fluganbietern auch die Pauschalreiseindustrie, weil Reiseanbieter auch hundert Prozent des Flugs im Voraus bezahlen müssen, was deren finanzielles Risiko erhöht und dadurch auch den Druck, möglichst viel Geld möglichst früh von uns Reisenden zu verlangen. Aber wie sieht ihr denn die beste Lösung aus? Laut Felix Methmann wäre es aus Verbrauchersicht ideal, die Vorkasse komplett abzuschaffen, er macht aber gleichzeitig deutlich, dass es schwierig wäre, eine solche Lösung politisch durchzusetzen und schlägt dementsprechend einen Kompromiss vor:

Felix Methmann: Also, wenn wir da schon mal bei den Airlines ansetzen und diese extensive Vorkasse absenken, dann wäre das auch sehr gut für die Pauschalreiseanbieter, das sagen die auch. Dann brauchen die nämlich auch weniger in Vorleistung gehen und müssten von den Kunden auch weniger nehmen, Das heißt, da kämen wir dann schon wieder auf die von den 40% auf die 20% vielleicht runter. Und ich glaube dann, wenn wir das so für den gesamten Reisebereich als Standard haben, sowohl bei nur Flugbuchung als auch bei Pauschalreisebuchungen (20% bei Buchung und der Rest dann eigentlich bei Reiseantritt oder vielleicht bis maximal eine Woche vorher), das wäre doch eigentlich ein faires Modell für alle.

Dorian Lötzer: mit einem solchen Kompromiss gebe es eine viel verbraucherfreundlichere Verteilung des finanziellen Risikos für Reisende, die zwar weiterhin einen Beitrag bei der Buchung bezahlen, dafür aber bis kurz vor der Reise den Rest ihres Geldes behalten dürfen. Dadurch sind sie viel weniger stark von komplizierten und langen Rückzahlungsprozessen betroffen, die sie durchlaufen müssen, wenn die Reise nicht stattfindet oder der Anbieter insolvent gehen sollte. Hier fordert Felix Methmann, dass die Politik nachregelt und die Airlines dazu verpflichtet, ähnliche Standards einzuhalten wie die Pauschalreiseanbieter.

Die Reiseindustrie hat ein paar sehr schwere Jahre hinter sich. Verbraucherinnen aber auch. Es gab die Corona-Pandemie, die zwar unser aller Leben verändert, aber dennoch insbesondere das Reisen und die Reisewirtschaft disproportional belastet hat.

Deswegen ist es klar, dass ich einiges ändern musste und wie wir in dieser Folge erfahren haben, geschieht das auch.

Auf Seite von uns Reisenden ist zum Beispiel das Bewusstsein für das Risiko der Reisebuchung gestiegen. Deswegen buchen wir unter Umständen andere Arten von Reisen, informieren uns jedoch in jedem Fall insgesamt viel besser zu Zielen und Konditionen, was auch dazu geführt hat, dass die Anbieter freundlichere und flexiblere Angebote einführen mussten. Hier können wir erwarten, dass sich dieser Trend auch nach der Pandemie hält. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es geht aber auch besser.

Es ist wichtig, dass insbesondere im Airline-Bereich politisch nachgebessert wird, damit wir erstens unsere eigenen Flüge flexibler und mit weniger Risiko buchen können und zweitens im Reisemarkt das gesamte Angebot verbraucherfreundlicher werden kann. Hier wird es aber auch aller Wahrscheinlichkeit nach noch dauern, bevor es konkrete Änderungen gibt.

In jedem Fall ist aber durch den Reisesicherungsfonds jetzt ein wichtiger Schritt in Richtung Verbraucherschutz getan, weil damit verhindert wird, dass ein Reiseanbieter in der Art und Weise insolvent geht, wie 2019 noch mit Thomas Cook.

Die Erkenntnis, die ich auf dieser Folge letztendlich für mich ziehe, ist, dass das Reisen im Großen und Ganzen verbraucherfreundlicher wird und als jemand, der sehr gerne reist, freut mich das. Ich weiß aber auch, dass dieser Trend zum Teil daher stammt, dass wir uns bei der Buchung mehr Gedanken gemacht haben und bessere Konditionen einfordern, und das sollten wir auf jeden Fall beibehalten.

Wenn euch die Folge gefallen hat, dann schickt sie doch gerne weiter oder lasst uns ein Abonnement da. Für mehr Informationen rund umreisen und alle weiteren Verbraucherschutzthemen schaut gerne auf verbraucherzentrale.de rein.

Mein Name ist Dorian Lötzer und heute habe ich die Einflüsse der Corona Pandemie auf das Reisen genau genommen.

 

Fragen und Kommentare können Sie gerne an podcast@vz-bln.de schicken!

BMUV-Logo

Fernbedienung wird auf Fernseher gerichtet

Klage wegen service-rundfunkbeitrag.de gegen SSS-Software Special Service GmbH

Die SSS-Software Special Service GmbH macht auf service-rundfunkbeitrag.de nicht ausreichend kenntlich, dass sie Geld für eigentlich kostenlosen Service verlangt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband klagt vor dem OLG Koblenz auf Unterlassung und hat eine Sammelklage eingereicht.
Grafische Darstellung einer Frau, die ungeduldig auf ihre Armbanduhr schaut. Rechts daneben befindet sich das Logo von Cleverbuy, darunter eine Grafik von einem Smartphone, von der ein roter Pfeil auf einen Stapel Euroscheine führt. Rechts daneben befindet sich ein großes, rotes Ausrufezeichen, in dem "Warnung" steht.

Warnung vor Cleverbuy: Auszahlung lässt auf sich warten

"Clever Technik kaufen und verkaufen" heißt es auf der Website der Ankaufplattform Cleverbuy. Gar nicht clever ist die oft lange Zeit, die verstreicht, bis Nutzer:innen ihr Geld für Smartphone und Co. ausgezahlt bekommen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) warnt daher vor dem Anbieter.
Besorgt dreinblickender Mann, der auf seine Kreditkarte schaut, während er mit seinem Mobiltelefon spricht.

Der vzbv stellt fest: Banken tun nicht genug gegen Kontobetrug

Opfer von Kontobetrug bleiben in vielen Fällen auf dem Schaden sitzen, denn: Banken werfen ihnen grobe Fahrlässigkeit vor. Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) müssten Banken jedoch mehr tun, um Verbraucher:innen zu schützen.