Das Wichtigste in Kürze:
- Erreichen Sie bei einer Zugreise Ihr Ziel nicht pünktlich, haben Sie verschiedene Ansprüche: Sie können zum Beispiel die Fahrt später und mit einem anderen Zug fortsetzen, von der Reise zurücktreten oder einen Teil des Ticketpreises zurück verlangen.
- Kommen Sie mindestens 60 Minuten später als geplant an, haben Sie Anspruch auf 25 Prozent Erstattung, bei 120 Minuten oder mehr sind es 50 Prozent.
- Inhaber:innen von Zeitfahrkarten (zum Beispiel Monats- oder Jahres-Abo) oder des Quer-durchs-Land-Tickets werden mit pauschalen Festbeträgen pro Verspätung entschädigt.
- Aber: Nach der neuen Fahrgastrechteverordnung müssen Bahnunternehmen seit Juni 2023 keine Entschädigung mehr zahlen, wenn die Verspätung auf bestimmte "außergewöhnliche Umstände" zurückzuführen ist, die nicht im Verantwortungsbereich der Bahn liegen.
- Haben Sie Erfahrungen mit "außergewöhnlichen Umständen" oder "höherer Gewalt" bei einer Zugreise gemacht? Dann schildern Sie uns Ihren Fall!
Sie reisen im Zug und kommen nicht pünktlich an Ihrem Ziel an? Dann haben Sie verschiedene Möglichkeiten, um auf anderen Wegen an Ihr Ziel zu kommen oder einen Teil des Fahrpreises oder sogar den kompletten Fahrpreis zurück zu bekommen. Das regelt die EU-Verordnung über die Fahrgastrechte im Bahnverkehr, bei der am 7. Juni 2023 einige wichtige Änderungen in Kraft getreten sind. Dazu erklären wir ein paar Beispiele.
Was tun, wenn mein Zug verspätet ist oder ausfällt?
Wichtig: Die Bahn empfiehlt, dass Sie sich Verspätungen von Mitarbeitern des Unternehmens immer bestätigen lassen.
Damit können Sie anschließend im Internet oder in einem Servicecenter Ihres Bahnunternehmens die Reise reklamieren. Ein standardisiertes Fahrgastrechte-Formular zum Ausfüllen bieten die Unternehmen in der Regel auf ihren Internetseiten an. Fragen Sie im Falle einer Verspätung auch das Bahnpersonal nach dem Formular, oft können Sie dies schon vor Ort erhalten.
- Welche Entschädigung steht mir zu, wenn ich eine oder sogar zwei Stunden später als geplant am Ziel ankomme?
Sind Sie mindestens 1 Stunde später als geplant am Ziel angekommen, können Sie 25 Prozent des Fahrpreises Ihrer Gesamtstrecke zurückfordern; ab 2 Stunden Verspätung sogar 50 Prozent des Fahrpreises. Wenn Sie mit mehreren Zügen fahren, ist für eine Reklamation die Verspätung an Ihrem letzten Ziel entscheidend – nicht die Verspätung einzelner Züge.
Aber: Seit 7. Juni 2023 gilt das nur noch für Verspätungen, deren Ursachen im Verantwortungsbereich des Bahnunternehmens liegen. Das Bahnunternehmen muss keine Entschädigung zahlen, wenn die Verspätung auf einen der folgenden Gründe zurückzuführen ist:
- außergewöhnliche Umstände wie extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen oder schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit;
- Verhalten eines Dritten wie Betreten der Gleise, Kabeldiebstahl, Notfälle im Zug, Strafverfolgungsmaßnahmen, Sabotage oder Terrorismus;
- Verschulden des Fahrgastes.
Wichtig: Mit "außergewöhnlichen Umständen" sind nicht normale jahreszeitlich bedingte Witterungsbedingungen, wie z. B. Herbststürme, gemeint. Vielmehr muss es sich um außergewöhnliche Naturkatastrophen handeln.
Auch gut zu wissen: Eine Verspätungsentschädigung steht Ihnen auch weiterhin zu bei:
- Streik des Personals des Bahnunternehmens
- bei Handlungen oder Unterlassungen eines anderen Unternehmens, das dieselbe Infrastruktur benutzt
- Handlungen oder Unterlassungen des Infrastrukturbetreibers und des Bahnhofsbetreibers
- Was kann ich tun, wenn ich mehr als 60 Minuten später am Ziel sein werde und die Fahrt abbreche?
Bei einer absehbaren Verspätung von mehr als 1 Stunde am Zielbahnhof haben Sie die Wahl, ob sie sich den (bei Fahrtabbruch unterwegs anteiligen) Fahrpreis erstatten lassen oder die Reise fortsetzen wollen. Brechen Sie die Reise unterwegs ab, können Sie sich auch Kosten für die Fahrt zurück zu Ihrem Start vom Bahnunternehmen erstatten lassen.
Wollen Sie trotz Verspätung weiterfahren, können sie das bei nächster Gelegenheit oder zu einem späteren Zeitpunkt ihrer Wahl tun. Wobei sie auch eine andere, vergleichbare Verbindung wählen können.
Das ist neu seit 7. Juni 2023: Sie können nun auch mit anderen Anbietern öffentlicher Verkehrsdienste (Bahn, Reisebus) weiterfahren; also z. B. auch mit Flixtrain oder Flixbus. Die Kosten dafür bekommen Sie unter folgenden Voraussetzungen erstattet:
- Das Bahnunternehmen hat der Weiterbeförderung mit anderen Anbietern zuvor zugestimmt oder
- die Fahrgäste wurden von dem Bahnunternehmen nicht innerhalb von 100 Minuten nach der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit des verspäteten oder ausgefallenen Verkehrsdienstes oder des verpassten Anschlusses informiert, ob und wie sie mit geänderter Streckenführung weiterreisen können.
- Wie werde ich entschädigt, wenn ich abends an einem Bahnhof "strande" und nicht weiter komme?
Das Bahnunternehmen muss für Ersatzverkehr sorgen. Kann es das nicht, muss das Bahnunternehmen für eine Unterkunft und die Beförderung dorthin und wieder von dort weg sorgen.
Dieses Recht auf eine Hotelunterkunft haben Sie auch, wenn die oben genannten "außergewöhnlichen Umstände" Ursache des Ausfalls sind; allerdings kann das Bahnunternehmen die Unterbringung dann auf höchstens 3 Nächte begrenzen.
- Was ist, wenn ich später als geplant ankommen werde und lieber mit einem Taxi weiterfahren will?
In diesem Punkt ist die in Deutschland geltende Eisenbahn-Verkehrsverordnung (EVO) verbraucherfreundlicher als die EU-Bahngastrechteverordnung: Wenn die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr liegt und eine Verspätung am Zielbahnhof von mindestens 1 Stunde absehbar ist, können Fahrgäste auch mit einem Taxi ans Ziel fahren.
Das ist ebenso möglich, wenn es sich um die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages handelt, diese ausfällt und man seinen Zielbahnhof anders nicht mehr bis 0 Uhr erreichen kann. Die Kosten dafür werden bis zu einer Obergrenze von 120 Euro (vor 7. Juni 2023: 80 Euro) erstattet. Diese Regelung gilt für alle Züge des Nahverkehrs und für Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn, jedoch nicht für andere Fernzuganbieter.
- Ich habe ein Nahverkehrsticket und werde mindestens 20 Minuten später am Ziel sein. Darf ich einen Zug des Fernverkehrs nutzen?
Wenn sich abzeichnet, dass Sie Ihr Ziel mit Nahverkehrszügen erst mit mehr als 20 Minuten Verspätung erreichen, können Sie alternativ mit einem Zug des Fernverkehrs fahren. Dieser darf aber nicht reservierungspflichtig sein. Für den Fernverkehrszug muss man zwar erst mal ein IC- oder ICE-Ticket kaufen, kann die Kosten aber später zurückfordern.
Wichtig: Bei einer "erheblich ermäßigten" Fahrkarte, also beispielsweise Länder-Tickets, Schönes-Wochenende-Ticket oder Quer-durchs-Land-Ticket, gilt diese Regelung nicht.
Auch das Deutschlandticket gilt nach der am 8. August 2023 in Kraft getretenen Eisenbahnverkehrsordnung explizit als erheblich ermäßigtes Ticket (§3 Abs. 4 EVO). Das bedeutet, dass Reisende mit Deutschlandticket bei Verspätungen von mindestens 20 Minuten nicht auf einen Fernverkehrszug ausweichen und sich die Kosten für das IC- oder ICE-Ticket erstatten lassen können. Wenn sie auf einen Fernverkehrszug ausweichen wollen, dann müssen sie das auf eigene Rechnung tun.
Die Nutzung eines Fernverkehrszuges ist jedoch ausnahmsweise möglich, wenn
- ein Ausfall oder eine Zugverspätung die letzte Verbindung des Tages mit Ankunft bis 24 Uhr betrifft oder
- eine Verspätung von mindestens 60 Minuten bei einer Zugverbindung mit planmäßiger Ankunft zwischen 0 und 5 Uhr eintritt.
In beiden Fällen gilt: Reisende müssen sich zuerst eine Fahrkarte für die Fernverkehrszüge kaufen. Diese wird anschließend im Rahmen der Fahrgastrechteentschädigung bis zu einer Höhe von 120 Euro erstattet.
- Ich habe ein Monatsticket. Kann ich für eine Verspätung trotzdem Geld verlangen?
Auch bei einer Zeitkarte, wie zum Beispiel bei Monats-Abos für bestimmte Strecken, können Sie bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten Geld zurückbekommen. Bei Zeitkarten im Nahverkehr müssen
- die Verspätungen aufgeschrieben
- und am Ende des Monats beim Servicecenter für Fahrgastrechte gesammelt eingereicht werden.
Dabei erhalten Fahrgäste für Zeitkarten im Nahverkehr:
- 1,50 Euro in der 2. Klasse
- 2,25 Euro in der 1. Klasse
Wichtig zu wissen: Entschädigungsbeträge von weniger als 4 Euro werden nicht ausgezahlt, in der Regel müssen also mehrere Verspätungen aufgetreten sein.
Nutzer von Zeitkarten des Fernverkehrs erhalten pauschale Entschädigungen:
- 5 Euro in der 2. Klasse
- 7,50 Euro in der 1. Klasse
Für alle Zeitkarten-Besitzer gilt, dass sie maximal 25 Prozent des Zeitkartenwertes als Entschädigung erhalten.
Wichtig: Haben Sie eine Bahncard 100, bekommen Sie für jede Verspätung von 60 Minuten und mehr, einen Pauschalbetrag von 10 Euro (2. Klasse) bzw. 15 Euro (1. Klasse) erstattet. Auch hier gilt, dass maximal 25 Prozent der BahnCard-Kosten erstattungsfähig sind.
Nutzer:innen von Zeitkarten, unabhängig ob Nah- oder Fernverkehr, können zudem wiederholte Verspätungsfälle ab 20 Minuten innerhalb der Geltungsdauer der Zeitkarte zusammenrechnen. Sie könne sie dann gesammelt zur Erstattung oder Entschädigung beim Eisenbahnunternehmen geltend machen. Jedoch gilt auch hier die Bagatellgrenze von 4 Euro, ab der Entschädigungen erst ausgezahlt werden.
- Ich habe ein Deutschlandticket. Gelten die Fahrgastrechte auch für mich?
Das Deutschlandticket gilt nach der im August 2023 in Kraft getretenen geänderten EVO als erheblich ermäßigtes Ticket. Das bedeutet, dass Reisende mit Deutschlandticket bei Verspätungen in den meisten Fällen nicht auf einen Fernverkehrszug ausweichen und sich die Kosten für das IC- oder ICE-Ticket nicht erstatten lassen können.
Wer trotzdem einen Fernverkehrszug nutzen will, um sein Reiseziel noch rechtzeitig zu erreichen, muss dies auf eigene Rechnung tun.Die Nutzung eines Fernverkehrszuges ist jedoch ausnahmsweise möglich, wenn
- ein Ausfall oder eine Zugverspätung die letzte Verbindung des Tages mit Ankunft bis 24 Uhr betrifft oder
- eine Verspätung von mindestens 60 Minuten bei einer Zugverbindung mit planmäßiger Ankunft zwischen 0 und 5 Uhr eintritt.
In beiden Fällen gilt: Reisende müssen sich zuerst eine Fahrkarte für die Fernverkehrszüge kaufen. Diese wird anschließend im Rahmen der Fahrgastrechteentschädigung bis zu einer Höhe von 120 Euro erstattet.
Wichtig ist aber auch eine andere Regelung: Wenn Sie für Ihre Reise Nah- und Fernverkehrszüge kombinieren, gelten die Fahrgastrechte nur dann für die komplette Reise, wenn es sich um eine sogenannte "Reisekette" und eine sogenannte "Durchgangsfahrkarte" handelt. Das bedeutet, es müssen sowohl die Nah- als auch die Fernverkehrszüge auf demselben Ticket stehen.
Nutzer:innen von Abonnements für den Nahverkehr kennen das Problem schon, da es diese Regelung bei Abos schon vor der aktuellen Änderung der Fahrgastrechte gab.
Beispiel:
Sie wollen von Mettmann nach Hamburg fahren und nutzen zunächst eine S-Bahn bis Düsseldorf; ab Düsseldorf fahren Sie mit dem IC weiter. Wenn nun die S-Bahn ausfällt und Sie dadurch den IC verpassen, kommt es darauf an: Haben Sie für beide Züge ein einziges Ticket gekauft, auf dem beide Züge als Verbindung stehen, dann gelten die Fahrgastrechte für die gesamte Strecke und Sie können z. B. mit einem anderen Zug weiterfahren.
Haben Sie aber für die Nahverkehrsstrecke von Mettmann nach Düsseldorf Ihr Deutschlandticket genutzt und zusätzlich nur eine Fernverkehrskarte von Düsseldorf nach Hamburg gekauft, dann handelt es sich nicht um eine Reisekette. Das hätte die Folge, dass Sie wegen des verpassten Anschlusses keine Fahrgastrechte in Anspruch nehmen können.
Um trotzdem alle Fahrgastrechte zu haben, müssten Reisende also die Nahverkehrs-Teilstrecken mit der Fernverkehrsstrecke zusammen auf ein Ticket buchen; sie zahlen den Preis für die Nahverkehrsstrecke also zusätzlich, obwohl sie dafür das Deutschlandticket nutzen könnten.
Reisende mit Deutschlandticket müssen also abwägen, was ihnen wichtiger ist: Die Preisersparnis durch Nutzung des Deutschlandtickets oder die Fahrgastrechte für die gesamte Strecke.
- Wie beantrage ich meine Erstattung oder Entschädigung?
Bei online gekauften Tickets ist das Beantragen von Erstattung oder Entschädigung inzwischen recht komfortabel: Diese Tickets sind einem DB-Kundenkonto zugewiesen und tauchen in der App "DB Navigator" beziehungsweise auf der DB-Homepage auf. Für Onlinetickets sind Fahrgastrechte-Formular und postalische Abwicklung nicht mehr nötig. Wie das Ganze vonstatten geht, wird hier erläutert.
Sind durch die Verspätung oder den Zugausfall zusätzlich Kosten entstanden, zum Beispiel durch eine Taxifahrt oder Übernachtung, können Sie die Belege oftmals auch beim Entschädigungsantrag für Onlinetickets digital hochladen. Sollten Sie diese Option nicht haben, müssen Sie den Entschädigungsantrag inklusive Belege weiterhin postalisch mit dem Fahrgastrechteformular einreichen.
Sie können Fahrgastrechte-Formulare mit den erforderlichen Unterlagen in einem Umschlag auch in einem DB Reisezentrum abgeben.
Wichtig!
Bisher konnten Fahrgäste Ihre Anträge bis zu 1 Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der Fahrkarte einreichen. Künftig müssen Reisende hier schneller tätig werden: Die Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf der Geltungsdauer des Fahrausweises geltend gemacht werden.
Dieser Inhalt wurde von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und unserem Bundesverband (vzbv) für das Netzwerk der Verbraucherzentralen in Deutschland erstellt.